Anspruch auf Schadenersatz für privatärztliche Behandlungskosten bei gesetzlichen Krankenversicherten

Im Rahmen der Unfallschadenregulierung von Personenschäden, d.h. von unfallbedingten Verletzungen, kommt in Anbetracht teilweise langer Wartezeiten auf Arzttermine, insbesondere bei Fachärzten, für gesetzliche Krankenversicherte, immer mal wieder die Frage von Mandanten auf, ob es nicht die Möglichkeit gibt, eine beschleunigte oder bessere Diagnostik bzw. Therapie zu bekommen.

Es besteht zwar insofern kein Anspruch gegen die Versicherung des Schädigers, eine entsprechende beschleunigte ärztliche Behandlung zur Verfügung zu stellen, aber der Geschädigte hat unter Umständen die Möglichkeit, eine privatärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen und den Ersatz der dafür entstehenden Kosten zu verlangen. Dies ist immer eine Frage des Einzelfalls.

Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass je schwerer die unfallbedingten Verletzungen sind und je länger sich die Behandlung hinzieht, umso eher ein entsprechender Anspruch entsteht. Auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Geschädigten können eine Rolle spielen. Der Bundesgerichtshof hat dazu entschieden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2005, VI ZR 83/04, S. 20-21):

„Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Kosten einer privatärztlichen Behandlung von den Beklagten nicht zu erstatten seien. Die Erstattungsfähigkeit von privatärztlichen Behandlungskosten bei einem gesetzlich krankenversicherten Verletzten hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Senatsurteile vom 11. November 1969 – VI ZR 91/68 – VersR 1970, 129, 130; vom 18. Oktober 1988 – VI ZR 223/87 – VersR 1989, 54, 56; vom 19. Februar 1991 – VI ZR 171/90 – BGHR BGB § 249 „Heilbehandlungskosten“ 4). Entscheidend ist, ob die privatärztliche Behandlung aus der Sicht eines verständigen Menschen in der Lage des Geschädigten erforderlich erschien. Maßstab für die Beurteilung ist dabei insbesondere die Art der Verletzung und der Lebensstandard des Verletzten. Diese Gesichtspunkte hat das Berufungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt. Im Vergleich zu den sonstigen unfallbedingten Aufwendungen sind die Zusatzkosten mit 3.692,04 € für die privatärztliche Behandlung verhältnismäßig gering. Es erscheint daher folgerichtig, daß die Klägerin angesichts ihres aus den sonstigen Schadenspositionen ersichtlichen Lebenszuschnitts und der Schwere ihrer Verletzung eine privatärztliche Behandlung auch dann gewählt hätte, wenn der Unfall nicht durch Dritte verursacht worden wäre. Da insoweit weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat über diesen Teilbetrag abschließend entscheiden.“

Auf dieser Grundlage hat auch das Amtsgericht Schleswig einer Klägerin Schadenersatz für privatärztliche Behandlungskosten zu gesprochen und dazu ausgeführt (vgl. AG Schleswig, Urteil vom 27. Februar 2015, Az. 21 C 60/14):

„Die Beklagten haben die Kosten der privatärztlichen Behandlung in Höhe von 247,59 € zu bezahlen. Deren Ersatzfähigkeit hängt bei gesetzlich krankenversicherten Verletzten von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist insoweit, ob die privatärztliche Behandlung aus der Sicht eines verständigen Menschen in der Lage des Geschädigten erforderlich erscheint, insbesondere nach Art der Verletzung und dem Lebensstandard des Verletzten. (vergleiche BGH-Entscheidung vom 12.07.2005, Aktenzeichen VI ZR 83/04, zitiert nach Juris, Rn. 49) Die Inanspruchnahme der privatärztlichen Behandlung ist im Fall der Klägerin nicht zu beanstanden und kann auch im Hinblick auf die Höhe der Kosten nicht als unwirtschaftlich angesehen werden. Die Klägerin hat als Zeugin glaubhaft erklärt, dass ihre Beschwerden nach der Behandlung innerhalb von 2-3 Wochen gänzlich abgeklungen seien und die Blockaden durch den Arzt behoben wurden. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Behandlung als erfolgreich dar. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin bereits vorher bei dem privat liquidierenden Arzt in Behandlung war, entsprach die Konsultation dieses Arztes auch ihrem bisherigen Lebensstandard. Sie hätte auch ohne die den Unfall bei sonstigen Beschwerden den Privatarzt aufgesucht, weil es sich dabei nach ihrer Aussage um den Arzt ihres Vertrauens handelte. Vor diesem Hintergrund sind die Kosten auch von den Beklagten als Schädiger zu ersetzen.“