BGH zur Verjährung von Regressansprüchen gegen Rechtsanwälte

Der Bundesgerichtshof hat sich mit Urteil vom 6. Februar 2014, Az.: IX ZR 245/12, mit der Frage der Verjährung von Regressansprüchen gegen Rechtsanwälte auseinander gesetzt. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wann ein Mandant von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen
müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

In den Entscheidungsgründen stechen einige Punkte heraus:

1.) Anknüpfungspunkt für den Regressanspruch ist nicht die anwaltliche Beratung sondern erst der Pflichtenverstoß des Rechtsberaters.

2.) Der ungünstige Ausgang eines Rechtsstreits in erster Instanz vermittelt grundsätzlich noch nicht die erforderliche Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Daneben müsste ein Mandant für den Verjährungsbeginn auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn – zumal wenn er juristischer Laie ist – ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren.

Solange das Mandat noch nicht beendet ist,  gibt es noch weitere Besonderheiten zu beachten.

3.) Eine grob fahrlässiger Unkenntnis über fehlerhaftes Verhalten des Anwalts, welche die Verjährungsfrist in Gang setzen würde, liegt bei dem Mandanten regelmäßig noch nicht vor, wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Anwalt gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, dass ein Fehlverhalten nicht vorliegt.

4.) Es liegt in der Regel sogar dann keine Kenntnis von einem Pflichtenverstoß des Beraters vor, wenn der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits rät und das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.

In den Entscheidungsgründen führt der Bundesgerichtshof u.a. Folgendes aus:

„Eine Kenntnis oder grobe fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nicht schon dann vor, wenn dem Gläubiger Umstände bekannt werden, nach denen zu seinen Lasten ein Rechtsverlust eingetreten ist.“

Der Bundesgerichtshof hat dazu insbesondere die bereits ergangene Rechtsprechung zur Verjährung des Arzthaftungsanspruchs, des Amtshaftungsanspruches und der Haftung von Anlageberatern/-vermittlern herangezogen und führt dazu aus:

„aa) Der Mandant ist in einer vergleichbaren Lage wie der Patient, der Amtshaftungsgläubiger oder der Anleger. Auch er ist in der Regel nicht fachkundig, hat seine rechtlichen Belange dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und kann daher dessen etwaige Fehlleistungen -eben wegen seiner Rechtsunkenntnis- nicht erkennen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2002 – IX ZR 99/02, WM 2003, 928, 930). Die Fachkunde des Rechtsanwalts und das Vertrauen seines Auftraggebers begründen typischerweise im Rahmen eines Anwaltsvertrages eine Überlegenheit des Anwalts gegenüber seinem regelmäßig rechtsunkundigen Mandanten (Chab in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1385).

Daher vermag beispielweise der ungünstige Ausgang eines Rechtsstreits in erster Instanz grundsätzlich noch nicht die erforderliche Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu vermitteln. Vielmehr muss der Mandant nicht nur die wesentlichen tatsächlichen Umstände kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn – zumal wenn er juristischer Laie ist – ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren (vgl. Gehrlein, aaO S. 153; Zugehör/Chab, aaO Rn. 1472, 1481; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 11 08; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl., Rn. 874). Nicht die anwaltliche Beratung sondern erst der Pflichtenverstoß des Rechtsberaters begründet den gegen ihn gerichteten Regressanspruch (vgl. Chab, BRAK-Mitt 2010, 208, 209).

bb) ln Übereinstimmung hiermit stehen die Vorstellungen des Gesetzgebers zum Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBI. I,
S. 3214), mit dem die bisherige kenntnisunabhängige Haftung des§ 51b BRAO aF aufgehoben und die kenntnisabhängige Haftung des § 199 BGB auf die Anwaltshaftung erstreckt wurde. Die Gesetzesbegründung führte für die Anpassung der Anwaltshaftung an die allgemeinen Regelungen ausdrücklich an, dass es für den Mandanten regelmäßig schwierig zu beurteilen sei, ob sein Anwalt fehlerhaft gearbeitet hat und ob ihm hieraus ein Schaden entstanden ist. Insbesondere bei längeren Rechtsstreitigkeiten stelle sich dies oft erst sehr spät heraus (SR-Drucks. 436/04, S. 1 und 24 f). Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, die bloße Kenntnis der anwaltlichen Beratung und der ihr zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände reichten aus (ebenso OLG Stuttgart, WM 2010, 1330; OLG Hamm, GI aktuell 2012, 111, 116), greift daher zu kurz.

c) Solange das Mandat noch nicht beendet ist, sind weitere Besonderheiten zu beachten. Für ein fehlerhaftes Verhalten des Anwalts ist aus der Sicht des Mandanten dann regelmäßig kein Anhalt im Sinne grob fahrlässiger Unkenntnis gegeben, wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Anwalt gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor. Der Anwaltsvertrag ist in besonderer Weise durch gegenseitiges Vertrauen geprägt (BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 -XI ZR 29/94, WM 1995, 1064, 1071; vom 7. Februar 2013 -IX ZR 138/11, WM 2013, 942 Rn. 12). Dies gilt auch für das hier in Rede stehende zivilprozessuale Mandat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2013, aaO).

Die rechtliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Falles ist allein Sache des Anwalts. Der Mandant muss – selbst wenn er über eine juristische Vorbildung verfügt- sich darauf verlassen können, dass der beauftragte Anwalt die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist (BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 – IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750).

Dem Mandanten obliegt es nicht, den Anwalt zu überwachen oder dessen Rechtsansichten durch einen weiteren Rechtsberater überprüfen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993, aaO; vom 9. Dezember 1999 – IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; vom 15. April 2010 -IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14). Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel sogar dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.“

Der Bundesgerichtshof hat daher das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Kammergericht muss sich nunmehr inhaltlich mit den geltend gemachten Ansprüchen unserer Mandantin gegen den vormals für sie tätigen Rechtsanwalt auseinander setzen, der Verhandlungen über die Ansprüche unserer Mandantin über einen Zeitraum von mehr als ein Jahr nicht fortführte, so dass die Verjährung der im Mietrecht begründeten Ansprüche gemäß § 548 BGB eingetreten war.