Freispruch bei Messverfahren Poliscan Speed durch Amtsgericht Berlin-Tiergarten
Rebellion am Amtsgericht Tiergarten in Berlin! Bei dem in Berlin für Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen Amtsgericht Tiergarten hat die Richterin der Abteilung 318 mit Urteil vom 13. Juni 2013, Geschäftsnummer: 318 OWi 86/13, unseren Mandanten wegen des Vorwurfs einer Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen.
Grundlage für das Bußgeldverfahren war eine Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät Poliscan Speed, Softwareversion 1.5.5. Danach sollte unser Mandant im Juli 2012 mit seinem PKW in Berlin die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h überschritten haben.
Einen von mir gestellen Beweisantrag auf Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens lehnte die Richterin mit der Begründung ab, dass auch bei Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht geklärt werden könne, ob die Messung ordnungsgemäß erfolgte. Da der Hersteller gerichtsbekannt die Daten zur Messung und und Funktionsweise des Geräts nicht herausgebe, könne nur eine Prüfung auf Plausibilität durch einen Sachverständigen erfolgen. Dies reiche aber für eine Verurteilung nicht aus.
In der mündlichen Urteilsbegründung führte sie noch aus, dass die Rechtsprechung in Bußgeldverfahren nicht zum Schutz der Interessen des Herstellers des Messgeräts Poliscan Speed berufen sei und es nicht hingenommen werden könne, dass das das Messverfahren und die konkreten Messungen nicht überprüft werden können. Anders als das Kammergericht gehe sie daher bei Poliscan Speed nicht von einem standardisierten Messverfahren aus. Sie werde daher in den entsprechenden Verfahren mit diesen Messgerät nunmehr regelmäßig freisprechen und ihr Urteil in dieser Sache auch den Richterkollegen am Amtsgericht Tiergarten zur Verfügung stellen.
Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor, diese wird hier veröffentlicht, sobald diese vorliegt. Die Richterin teilte bereits mit, dass sie in der Begründung im Wesentlichen den Inhalt meines Beweisantrages wiedergeben werde. Diesen veröffentliche ich daher hier in einem Extrabeitrag.
Das Amtsgericht Tiergarten hat sich insofern der Rechtsprechung des Amtsgericht Herford und des Amtsgericht Aaachen angeschlossen.
Ergänzend ist aus meiner Sicht noch anzumerken, dass anders als das Kammergericht meint, hier gerade kein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren vorliegt, bei dem die Voraussetzungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so präzise festgelegt sind, dass unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse erwartet werden können. Dies lässt sich zum einen mangels Freigabe der Daten durch den Hersteller schon nicht überprüfen.
Zum anderen handelt es sich auch nur bedingt um ein technisches Verfahren. Die Messung erfolgt aufgrund einer Software, die durch Menschen programmiert worden und dementsprechend auch fehleranfällig ist. Dafür bedarf es noch nicht einmal eines Vergleichs mit Softwareprogrammen für Computer.
Auch bei dem Messgerät Poliscan Speed gab es mehrere Softwareupdates, nachdem sich Fehler bei Messungen zeigten. Das technische Verfahren der Messung ist nur so gut wie die Programmierung des Geräts durch die menschlichen Programmierer. Damit wird eine 100%ig fehlerfreie Funktionsweise aber nie zu erreichen sein. Dass eine Überprüfung der Messung durch Sachverständige möglich sein muss, sollte deshalb eigentlich selbstverständlich sein.
Nachtrag vom 13.06.2014: Das Urteil des Amtsgericht Tiergarten ist rechtskräftig geworden, die Staatsanwaltschaft hat kein Rechtsmittel gegen das Urteil vom 13. Juni 2013 eingelegt.
Das Urteil ist hier im Volltext veröffentlicht.