(Fast) Keine Rechte des Käufers wegen Mängeln von „TÜV“-Gutachten
Meine Mandantin wollte vor dem Kauf des Gebrauchtwagen sichergehen und ließ zusammen mit dem Verkäufer ein „TÜV“-Gutachten, d.h. eine Hauptuntersuchung gemäß § 29 StVZO, bei der DEKRA durchführen.
Eigentlich eine gute Idee, sollte man meinen. Der „TÜV“ (die Hauptuntersuchung) genießt in weiten Teilen der Bevölkerung eine hohe Wertschätzung. Was jedoch wenig bekannt ist: der Kaufinteressent hat praktisch keine Rechte, falls bei der von ihm vor dem Kauf veranlassten Hauptuntersuchung vom Prüfer Mängel übersehen werden und er das Fahrzeug im Vertrauen auf das Ergebnis der Hauptuntersuchung im mangelhaften Zustand kauft.
Die Hauptuntersuchung dient nach der Rechtsprechung nur dem öffentlichen Interesse an der Überprüfung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs für die Teilnahme am Straßenverkehr. Wenn der amtliche Prüfer Mängel übersieht und der Kaufinteressent das Fahrzeug im Vertrauen auf die Hauptuntersuchung kauft, kann der Käufer daraus regelmäßig keine Rechte herleiten.
Der Prüfer wird insofern als vom jeweiligen Bundesland bestellter Sachverständiger tätig und nimmt eine öffentliche Aufgabe wahr. Nach der Rechtsprechung bestehen daher keine Ansprüche gegen die Prüforganisation (hier die DEKRA), für die der Sachverständige tätig ist. Ansprüche können nur gegen das Land im Rahmen von sog. Amtshaftungsansprüchen bestehen.
Laut der Rechtsprechung bezweckt die Hauptuntersuchung aber grundsätzlich nicht den Schutz eines späteren Käufers des Fahrzeugs. Eine Ausnahme wird nur Fällen von Amtsmissbrauch gemacht, weil insofern eine umfassende Verantwortung des Landes als Dienstherrn gegenüber jedem Betroffenen besteht.
Meine Mandantin hatte im Vertrauen auf die Hauptuntersuchung das gebrauchte Fahrzeug gekauft. Bereits unmittelbar nach dem Kauf zeigten sich jedoch Mängel am Fahrzeug, es traten merkwürdige Geräusche auf, später machte auch der Motor Schwierigkeiten. Knapp drei Wochen nach dem Kauf brachte sie das Fahrzeug in eine Werkstatt zur Überprüfung.
Dies war ihr Glück, denn während der Überprüfung in der Werkstatt platzte eine stark verrostete Bremsleitung. Wäre dies im Straßenverkehr geschehen, hätte dies Böse ausgehen können. Ein paar Wochen später kam die Mandantin dann zu mir in die Beratung und ich riet ihr, eine Überprüfung das Fahrzeugs durch einen unabhängigen Sachverständigen durchführen zu lassen.
Dabei ergaben sich noch eine ganze Reihe von weiteren Mängeln. Die von mir angeschriebene DEKRA lehnte jegliche Schadensersatzansprüche ab. Ansprüche gegen den privaten Verkäufer des Fahrzeugs sind infolge eines Gewährleistungsausschlusses im Kaufvertrag praktisch nicht zu realisieren.
Also blieb nur der schwierige Weg der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen. Das Land Berlin lehnte vorgerichtlich jegliche Haftung ab. daher erhob ich Klage für meine Mandantin, welche beim Landgericht Berlin anhängig ist.
Nach der Rechtsprechung kommen Ansprüche nur in Betracht, wenn der Prüfer seine Pflichten so grob vernachlässigt hat, dass von amtsmissbräuchlichem Verhalten auszugehen ist. Dies ist jedoch nur unter sehr engen Voraussetzungen gegeben, insbesondere dann wenn der Amtsträger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einen anderen vorsätzlich schädigt, so dass die Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen. Dies ist aber praktisch kaum nachzuweisen.
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 17.06.2009 (Az. 11 U 112/08) kann ein Amtsmissbrauch aber auch bei gewissen fahrlässigen Verhaltensweisen vorliegen, was immer von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängig ist. In dem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall hatte der Prüfer Mängel der Gasanlage übersehen, welche bei einem Unfall zu einer Explosionsgefahr führen konnten.
Im Fall des von meiner Mandantin gekauften Fahrzeugs hatte der Prüfer die stark verrostete Bremsleitung übersehen, woraus sich eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben ergab, wenn die Bremsleitung platzte. Meine Mandantin hat daher ausnahmsweise ganz gute Aussichten, das die Klage Erfolg haben wird und das Land Berlin im Rahmen des Schadensersatzes zur Übernahme des Fahrzeugs gegen Zahlung des Kaufpreises verurteilt wird.
Wäre der vom Prüfer übersehene Mangel nicht so gravierend gewesen, hätte meine Mandantin nichts machen können. Kaufinteressenten von gebrauchten Fahrzeugen kann man daher nur raten, das Fahrzeug in einer Werkstatt oder bei einer Gebrauchtwagenprüfung untersuchen zu lassen. Daraus lassen sich dann Rechte herleiten.
Alternativ kann man sich auch vom Verkäufer im Kaufvertrag zusichern lassen, dass ein neuer „TÜV“ vorliegt. In einem solchen Fall kann dann der Verkäufer bei Mängeln des „TÜV“-Gutachtens haften.
Der Fall meiner Mandantin zeigte in jedem Fall auf, dass man sich bei einem Gebrauchtwagenkaufvertrag so gut wie möglich absichern sollte.
Hallo,
ich würde gerne wissen wie der Fall Ihrer Mandantin ausgegangen ist.
Ich habe gerade eine ähnliche Situation erlebt. Ein Fahrzeug mit 2 Tage altem Prüfbescheinigung vom TÜV Dekra gekauft. Laut Prüfbericht stellte der Prüfer keine Mängel fest. Da ich Klopfen aus dem Fahrwerk hörte, habe ich das Auto eine Woche später in ein KFZ-Werkstatt gebracht. Da wurden Gummibuchsen in den Querlänkern und stark ausgeschlagene und undichte Lenkgetriebe festgestellt. Darüberhinaus haben die Bremsscheiben Ihre Toleranzgrenze erreicht. Alle Fehlern sind Sicherheitsrelevant und das Auto dürfte keine Plakette erhalten.
Wie sehen die Chancen auf Übernahme der Kosten von der Dekra TÜV- Stelle? Letztendlich will ich das Auto nur in das in dem TÜV-Bericht bestätigte Zustand bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Rafal Wieczorek
Sehr geehrter Herr Wieczorek,
das Landgericht Berlin hat der Klage meiner Mandantin in erster Instanz stattgegeben, auf die Berufung des Landes Berlin wurde die Klage allerdings vom Kammergericht in zweiter Instanz rechtskräftig abgewiesen. Im Falle meiner Mandantin war die Sachlage allerdings anders, da sie selbst noch vor dem Kauf des Fahrzeugs die Überprüfung bei der Dekra beauftragt und bezahlt hatte.
Als Käufer eines Fahrzeugs, das einen neuen „TÜV“ hat, können Ihnen ggf. Ansprüche gegen den Verkäufer zustehen, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Vereinbarung „TÜV neu“ eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt, wonach das Fahrzeug bei Übergabe dem für die Hauptuntersuchung erforderlichen Zustand entspricht und einem bis auf geringe Mängel vorschriftsmäßigem Zustand befindet, insbesondere verkehrssicher ist.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Sydow
Rechtsanwalt
Sehr geehrte Damen und Herren,
leider hatte ich gerade einen änlichen Fall.
Vor dem Kauf des Fahrzeuges wurde vom Verkäufer in einer Fachwerkstatt ein neuer Tüf gemacht. Einziger Mangel: Leicht öliger Motor
Nun stellte sich aber 3 Monate später, bei einer Routine Überprüfung in einer anderen Werkstatt heraus, Das die Holme hinten und vorne Faustgröße Löcher hatten. Die Lenk Gelenke ausgeschlagen und die Schutzgummis nur noch herumhängen. Was ja wohl nicht in 3 Monaten passieren kann. Der Wagen wurde sofort abgemeldet, nun ist meine Frage; wie könnte da weiter verfahren werden!?
a.) Hat die Fachwerkstatt in deren Werkstatt der Tüf in derem Auftrag gemacht wurde eine mit Verantwortung zu tragen oder
b.) Der Tüf oder
c.) Der private Verkäufer…
Mit freundlichen Grüßen,
W. Schneider
Sehr geehrter Herr Schneider,
ein Anspruch gegen die Werkstatt würde voraussetzen, dass diese gesondert mit der Überprüfung von Mängeln beauftragt worden wäre.
Eine Anspruch gegen Prüforganisation scheidet aus, da es sich bei Hauptuntersuchung um eine amtliche Tätigkeit handelt. Gegen das Bundesland, dass den Prüfer bestellt hat, der die Hauptuntersuchung gemacht hat, könnten grundsätzlich Ansprüche bestehen, allerdings ist die Hürde hoch, nur bei – von Ihnen nachzuweisendem! – amtsmissbräuchlichem Verhalten des Prüfers könnten Ansprüche bestehen. Das ist in der Praxis sehr schwierig.
Gegen den Verkäufer des Fahrzeugs könnten allerdings Ansprüche bestehen, dafür kommt es darauf an, was im Kaufvertrag vereinbart wurde, ob z.B. eine Formulierung wie „TÜV neu“ enthalten ist. Dann könnten Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer bestehen. Ich empfehle Ihnen, dazu eine rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um zu überprüfen, ob ein solcher Anspruch besteht.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Sydow
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich habe gerade einen ähnlichen Fall.
Und zwar habe ich habe mir ein Motorrad gekauft. Der TÜV wurde 2 Wochen vor dem Kauf abgenommen. Nach dem Kauf musste ich aber in der Werkstatt feststellen, das der Rahmen angebohrt wurde und an anderer Stelle gebrochen ist. (Ein kaputter Rahmen bedeutet Totalschaden.)
Daher hört man bei Belastung auch ein gut vernehmliches Knacken, welches der Verkäufer als Knacken der Verkleidung abgetan hat und ich es als Laie geglaubt habe. Denn das Fahrzeug hatte schließlich frisch TÜV. Und der Prüfer konnte ja das Knacken bei einer Probefahrt nicht überhört haben.
Der Prüfer wurde kontaktiert und hat auch eingeräumt das die Maschine nie hätte TÜV bekommen dürfen.
Die Folge daraus ist, dass das Motorrad still gelegt wurde und der Verkäufer durch den „Standard ADAC-Kaufvertrag“ quasi unantastbar ist.
In der Verkaufsbeschreibung (die ich mir sicherheitshalber ausgeruckt habe) wird geschrieben „TÜV und HU neu“. Auf dem Kaufvertrag wird mir lediglich zugesichert „nächste HU 02.2021“
Bis dato haben mir zwei von einander unabhängige, wenig motivierte Rechtsanwälte in einem 10min. Gespräch gesagt, das ich keine Chance hätte. Nun erhoffe ich mir hier als dritten und letzten Versuch eine Antwort.
Und nun ist meine Frage
1) wenn auf dem Kaufvertrag der Nächste HU Termin definitiv festgehalten und mir so vom Käufer zugesichert wurde, könnte man da nicht vielleicht doch etwas machen?
2) Der TÜV-Prüfer hat den Fehler gemacht und auch vor Ort in der Werkstatt eingeräumt, das ein Fehler passiert ist. Kann ich den Prüfer bzw. das Land dafür haftbar machen?
(ein Gebrochener Rahmen ist Lebensgefährlich, da er jederzeit einknicken kann, dadurch das Fahrzeug unkontrollierbar macht und in Folge dessen es zwangsweise zum Sturz kommt)
Das Motorrad wurde nach dem Kauf nur zur Werkstatt gefahren und steht seitdem unangetastet dort.
Mit freundlichen Grüßen
M. Domnik
Sehr geehrter Herr Domnik,
ich kann in diesem Rahmen zwar keine abschließende Rechtsberatung geben, aber auf Folgendes hinweisen:
1.) Auf die Angabe zu HU 02.2021 kommt es wohl nicht entscheidend an. Vielmehr richtet sich der Inhalt der Beschaffenheitsvereinbarung zum Kaufvertrag auch nach den Angaben, die der Verkäufer im Rahmen der Werbung oder seines Internetangebots hinsichtlich der Eigenschaften des Fahrzeugs gemacht hat (§ 434 I 3 BGB), vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 25.01.2011 – 2 U 590/10. Damit liegt mit der Vereinbarung eines neuen TÜV und der Übergabe des HU-Berichts eine Beschaffenheitsvereinbarung vor. Diese Beschaffenheitsvereinbarung beinhaltet die Aussage, dass das Fahrzeug in einem verkehrstauglichen Zustand übergeben wird (BGH, Urteil vom 15.04.2015, Az.: VIII ZR 80/14 – NJW 2015, 1669; OLG Hamm, Urteil vom 19.5.1988, Az.: 23 U 50/87 – BeckRS 9998, 37738) und wird nicht von dem pauschalen Gewährleistungsausschluss erfasst (BGH, Urteil vom 29.11.2006, Az.: VIII ZR 92/06 – NJW 2007, 1346; OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.01.2014, Az.: 9 U 233/12 – NJW-RR 2014, 745).
2.) Die Hürden für die Haftung des Landes für das Verhalten des TÜV-Prüfers sind sehr hoch, es müsste eine Amtspflichtverletzung nachgewiesen werden und nicht nur eine grobe Fahrlässigkeit. Hier dürfte es einfacher sein, gegen den Verkäufer vorzugehen, zumal das Anbohren des Rahmens dem Verkäufer bekannt gewesen sein müsste.
Im Bedarfsfall kann ich gerne für Sie tätig werden, melden Sie sich gerne in meiner Kanzlei.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Sydow
Hallo Herr Sydow,
wie sieht das ganze bei einem TÜV Gebrauchtwagencheck aus ?
Ich habe ein gebrauchtes Fahrzeug gekauft, welches 2 Tage vorher beim TÜV den sogenannten Gebrauchtwagencheck durchlaufen ist. Hier wurde alles mit ,,i.o.“ in Ordnung abgestempelt.
Kurz darauf stellten sich schon einige Mängel fest.
Unter anderem ,,beginnende Korrosion“ teilweise wurde diese schon versucht mit Farbe zu vertuschen.
Dann eine Undichtigkeit daher Abgasgeruch im fahrzeuginneren, ein defekten Differentialgetriebe und einen ölfeuchten Turbo.
Laut Werkstatt ein Schaden von mindesten 4000€..
Der Verkäufer wusste angeblich nichts davon und verweist auf das den TÜV Gebrauchtwagencheck.
Über eine Rückmeldung wäre ich ihnen sehr dankbar.
Hallo Herr Schneider,
der TÜV-Gebrauchtwagencheck ist etwas ganz anderes als eine Hauptuntersuchung. Daraus können sich durchaus direkte Ansprüche gegen den TÜV ergeben. Sofern im Kaufvertrag darauf Bezug genommen wird, können auch Ansprüche gegen den Verkäufer bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15.4.2015, Az.: VIII ZR 80/14) bedeutet z.B. die Formulierung „TÜV neu“, dass das Fahrzeug in verkehrssicherem Zustand ist. Am besten kontaktieren Sie einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl, um dies genau prüfen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Sydow