Vorsicht bei Beurkundung von Kindesunterhalt durch Jugendamt

Was bei einer Beurkundung durch das Jugendamt schief gehen kann, zeigt ein aktueller Fall: unsere Mandantin wurde durch anwaltliches Schreiben im September 2012 zur Zahlung von höherem Kindesunterhalt aufgefordert und in Verzug gesetzt und unter Fristsetzung aufgefordert, eine Titeländerung vornehmen zu lassen.

Unsere Mandantin wendete sich zwecks kostenfreier Beurkundung gemäß § 59 Abs. 1 S. 3 SGB VIII an das zuständige Jugendamt, dort konnte man ihr aber erst einen Termin im November geben. Sie wendete sich dann an ein anderes Jugendamt und das Verhängnis nahm seinen Lauf.

Der Urkundsbeamte fragte zunächst bei der gegnerischen Anwältin nach, ob der Unterhalt in dynamischer oder statischer Form beurkundet werden solle [bisher war der Unterhalt statisch festgelegt] und ab welchem Zeitpunkt der Unterhalt beurkundet werden solle.

Nachdem diese mitteilte, dass der Unterhalt ab Januar 2012 dynamisierbar festgelegt werden solle, „überzeugte“ der Urkundsbeamte unsere Mandantin den Unterhalt ab Januar 2012 und somit rückwirkend anzuerkennen. In einem Gerichtsverfahren hätte sie seines Erachtens keine Chance und müsste dann auch noch Gerichtskosten und gegnerische Anwaltskosten zahlen. Mit einem flauen Gefühl unterschrieb unsere Mandantin daher die vorbereitete Urkunde.

Dieser „Rat“ des Urkundsbeamten war aber vollkommen falsch. Nach § 1613 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit nur ganz ausnahmsweise gefordert werden und die Voraussetzungen dafür lagen eindeutig nicht vor. Das Anspruchsschreiben selbst sprach ja auch von einer Inverzugsetzung ab September 2012.

An ihre Erklärung in der Jugendamtsurkunde ist unsere Mandantin aber trotzdem gebunden. Eine grundsätzliche mögliche Abänderungsklage gegen die Jugendamtsurkunde gemäß § 239 FamFG hat keine Aussicht auf
Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat nämlich mit Urteil vom 4. Mai 2011, Aktenzeichen: XII ZR 70/09, entschieden, dass die durch den Unterhaltspflichtigen unterschriebene Jugendamtsurkunde die Wirkung eines Schuldanerkenntnisses hat und eine Abänderungsklage auf Seiten des Unterhaltspflichtigen daher geänderte Umstände seit Abgabe des Schuldanerkenntnisses voraussetzt.

Da dies hier nicht der Fall ist, bleibt für unsere Mandantin nur der schwierige Weg einer Amtshaftungsklage gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG.

Ergänzung vom 18.09.2014: Für die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gibt es einen Ansatzpunkt, der kaum bekannt ist. Bei der vom Jugendamt gem. § 59 SGB VIII vorgenommenen Beurkundung sind die Vorschriften des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) gem. § 1 Abs. 2 BeurkG entsprechend anwendbar (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 24. Mai 2005 · Az. 1 W 88/05 – dort Rn. 12).

Danach gelten insbesondere die Prüfungs- und Belehrungspflichten gem. §§ 17 ff. BeurkG. Relevant sind dabei vor allem die Pflichten aus § 17 BeurkG, wonach das Jugendamt bei der Beurkundung den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben soll, sowie darauf achten soll, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden.

Ein Verstoß dagegen kann eine Haftung gem. § 839 BGB begründen.