Alkohol am Steuer: Freispruch wegen Einnahme von Halstabletten

Meine Mandantin wurde im Dezember 2011 von der Polizei bei einer Verkehrskontrolle angehalten und mit ihr ein Atemalkohol-Vortest („Pusten“)  gemacht.

Da dieser mit dem Gerät Dräger Alcotest 6510 gemachte Test nicht gerichtsverwertbar ist, wurde sie im Anschluss daran auf die Polizeiwache gebracht und dort ein erneuter Atemalkoholtest durchgeführt, diesmal mit dem Gerät Dräger Alcotest 7110 Evidential, dessen Messungen  im Rahmen eines Bußgeldverfahrens gemäß § 24 a StVG (Verstoß gegen 0,5 Promille-Grenze) grundsätzlich gerichtsverwertbar sind.

Meiner Mandantin wurde dann ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 500,– Euro und einem Monat Fahrverbot zugestellt. Nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und Akteneinsicht erörterte ich den Sachverhalt eingehend mit der Mandantin, dabei stellte sich auf meine Nachfrage bezüglich etwaiger Medikamenteneinnahme heraus, dass sie  wegen Halsschmerzen an diesem Tag Halstabletten eingenommen hatte.

Nach einem Blick auf den Beipackzettel der bei einem Türkei-Urlaub erworbenen Halstabletten stellte sich heraus, dass diese 2,4 Dichlorbenzylalkohol enthalten. Dies schilderte ich auch bereits in der Einspruchsbegründung, das Verfahren wurde dennoch an das Amtsgericht abgegeben.

Ich beantragte daher im gerichtlichen Verfahren ein gerichtsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Zum Hauptverhandlungstermin am heutigen Tage wurde vom Gericht dann auch ein Sachverständiger beigezogen. Ich gab im Termin für meine Mandantin eine Einlassung ab, wonach sie zuvor nur ein Glas Wein getrunken hatte und sich den gemessenen Atemalkoholwert nur durch die Einnahme der Halstabletten erklären kann.

Es wurden dann die Polizeibeamten vernommen, die meine Mandantin angehalten und mit ihr die Atemalkoholtests gemacht hatten. Der Beamte, der den relevanten Atemalkoholtest mit dem Dräger Alcotest 7110 Evidential gemacht hatte, konnte auf Nachfrage nicht ausschließen, dass meine Mandantin in den 10 Minuten vor der Durchführung des Tests kurzzeitig unbeaufsichtigt auf die Toilette ging und dabei Halstabletten eingenommen hatte.

Der Sachverständige erläuterte im Anschluss daran, dass keine korrekte Durchführung des Atemalkoholtests vorliege. In den 10 Minuten vor dem Atemalkoholtest, der sog. Kontrollzeit, müsse sichergestellt sein, dass der oder die Betroffene keinerlei Nahrung, Flüssigkeiten, Medikamente oder sonst irgendetwas anderes zu sich nehme. Nur dann könne ausgeschlossen werden, dass die Messung nicht durch andere Faktoren wie z.B. die Einnahme von Halstabletten beeinflusst werde.

Interessant ist in diesem Zusammenhang dann noch, was der Sachverständige zur gängigen Polizeipraxis bei der Verwendung des Dräger Alcotest 7110 Evidential ausführte. Er sagte, dass nach seiner Erfahrung ganz häufig von den Polizeibeamten die Kontrollzeit von 10 Minuten vor Durchführung der Messung nicht oder nicht ausreichend beachtet wird, was an einer unzureichenden Schulung der Polizeibeamten liege.

Die vorschriftsmäßige Durchführung der Kontrollzeit konnte vorliegend entsprechend auch nicht festgestellt werden. Der Sachverständige führte dann noch aus, dass bei einem Atemalkoholtest die Auswirkungen der Einnahme von Halstabletten, die 2,4 Dichlorbenzylalkohol enthalten, nicht eingeschätzt werden könne. Bei Entnahme einer Blutprobe hätte die Einnahme der Halstabletten das Ergebnis nicht beeinflusst, bei einem Atemalkoholtest könne dies aber der Fall sein.

Nach den Angaben meiner Mandantin errechnete der Sachverständige dann, dass sie danach in allen denkbaren Varianten weniger als 0,3 Promille hatte. Es konnte daher kein ordnungswidriges Verhalten meiner Mandantin festgestellt werden und sie wurde freigesprochen. Glücklicherweise hatte sie den Beipackzettel der Halstabletten aufgehoben, aus denen sich die Angaben zum Dichlorbenzylalkohol ergaben. Die deutsche Variante der Halstabletten enthielt dieses nämlich nicht.