Vorsicht bei „Prüfgutachten“ von Autoversicherungen

Bei der Regulierung von Schäden aus Unfällen im Straßenverkehr handelt es sich um einen Milliardenmarkt. Laut Autobild zahlen die Autoversicherer rund 10 Milliarden Euro pro Jahr für die Regulierung von Unfallschäden. Dementsprechend hoch ist der Anreiz für die Autoversicherer, auf Kosten der Geschädigten Geld zu sparen.

Deshalb werden berechtigte Ansprüche der Geschädigten häufig nicht vollständig ausgeglichen. Die Autoversicherer lassen es  dann darauf ankommen, ob die Geschädigten vor Gericht gehen und klagen, was aber nur selten geschieht.

Eines der Mittel, derer sich die Autoversicherer bei der Regulierung von Schäden an PKW bedienen, um Ansprüche unberechtigt herunterzurechnen, sind die sog. Prüfgutachten.

Wenn der Geschädigte einen Reparaturkostenvoranschlag oder ein Sachverständigengutachten einreicht, aus dem sich der Umfang der Schäden und die Höhe der Reparaturkosten ergeben, reichen die meisten Autoversicherer diese zur sogenannten „Überprüfung“ an von ihnen beauftragte Prüffirmen weiter.

Der Geschädigte erhält dann zusammen mit der Abrechnung über den Schaden von dem Autoversicherer einen „Prüfbericht“ oder ein „Prüfgutachten“ von Firmen wie Controlexpert, Check-it, Eucon, SSH Schadenschnellhilfe oder der Dekra.

Die „Überprüfung“ erfolgt dabei nach folgendem Schema wie der Stern in seiner Ausgabe vom 27. Januar 2008 berichtet:

„Eingereichte Unfallgutachten werden in einen Rechner eingelesen, dort in alle Einzelposten zerlegt und danach Ziffer für Ziffer mit Konkurrenzpreisen verglichen. Finden die Suchmaschinen zu einem Kalkulationswert aus dem Gutachten das Dumping-Angebot einer billigeren Werkstatt, dann wird meist nur dieser geringere Betrag anerkannt.“

Teilweise werden auch Wertminderungen einfach rausgestrichen oder der Wiederbeschaffungswert gekürzt. Für die „Prüffirmen“ lohnt sich dies laut dem Stern in jedem Fall:

„…sie kassieren etwa zehn Prozent Honorar von der Summe, die sie der Versicherung einsparen. Das Teuflische: Je mehr die Rotstifte rausstreichen, desto mehr verdienen sie – auf Kosten der Unfallgeschädigten. Auch wenn das Einzelhonorar für die Drücker selten die 100-Euro-Grenze überschreiten dürfte, klingelt die Kasse durch die Masse. Basis sind jährlich etwa 2,2 Millionen Autounfälle (2006). Überwiegend Haftpflichtschäden, für die Reparaturgutachten erstellt werden. Die Mehrzahl landet mit „Bearbeitungsauftrag“ bei den neuen „Controllern“ und „Checkern“.

Über die Vorgehensweise der Prüffirmen berichtete auch der Focus in der Ausgabe vom 24.09.2007:

Die Streichtrupps sehen sich die Unfallwagen meist nicht einmal an, sondern schauen lediglich in ihren größer werdenden Datenbanken nach, wie viel ein Schaden im Schnitt kosten darf. „Wenn wir kürzen, heißt dies nicht, dass die Kalkulation des Gutachters zuvor falsch war“, erklärt daher Helmut Zeisberger, Leiter der Abteilung Schadengutachten der Dekra. Um juristisch unangreifbar zu sein, weist die Dekra in ihren Prüfberichten explizit darauf hin, dass sie „auftragsgemäß“ gekürzt habe – im Auftrag der Versicherung.

Es werden aber nicht nur die Schätzungen der Gutachter oder Kostenvoranschläge gekürzt. Nach dem Bericht des Focus handeln die Autoversicherer auch noch anders:

Nach FOCUS vorliegenden Dokumenten versuchen einige offenbar sogar, unabhängige Sachverständige bereits bei der Bewertung eines Schadens zu beeinflussen – damit sie einige Positionen niedriger bewerten oder gleich ganz weglassen. Diesen Schluss lassen zumindest sogenannte „Arbeitsanweisungen“ an freie Sachverständige zu, die von diversen Versicherungen wie etwa Allianz, Zurich und Provinzial verschickt werden.“

Danach verlangt die Allianz z.B. von den freien Sachverständigen „Entsorgungskosten und Kosten für Richtwinkelsätze nicht zu kalkulieren“ und bei der Ermittlung des Restwerts des PKW „grundsätzlich die Restwertbörsen (CarTV oder AutoOnline) zu nutzen“. Dabei weiß die Allianz natürlich ganz genau, dass nach der Rechtsprechung die für die Geschädigten oft günstigeren Preise der regionalen Automärkte verwendet werden müssen.

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass es inzwischen auch Rechtsprechung zu der Thematik der Prüfgutachten gibt. Das Amtsgericht Hagen hat in einem Urteil vom 24. Mai 2006, Aktenzeichen: 16 C 371/05, dazu ausgeführt:

Die Kalkulation von ControlExpert berücksichtigt lediglich einen fiktiven Stundensatz, völlig losgelöst vom konkreten Unfallschaden. Es erfolgte keine Fahrzeugbesichtigung, keine eigene Bewertung und auch keine Kostenkalkulation einer Alternativwerkstatt. Der Kläger hat keinerlei Gewähr, dass bei konkreter Durchführung der Reparatur lediglich die im Bericht angegebenen Kosten aufgewendet werden und auch sonst keine andere Kostenpositionen eingestellt werden, die im Gutachten nicht enthalten sind. Es ist damit gerade nicht gewährleistet, dass der Kläger das ihm zustehende Ziel einer vollständigen und umfassenden Reparatur mit den beklagtenseits angesetzten Mitteln erreichen kann.

Aus meiner Sicht hätte man noch ergänzen können, dass sich die Tätigkeit von ControlExpert auch nur darauf beschränkt, die mittels Software eingescannten bzw. digitalisierten Gutachten bzw. Schadenskalkulationen nach Vorgaben der Versicherungen herunterzurechnen.

Im Gegensatz zum Kfz-Sachverständigengutachten sind die Berichte auch nicht unterschrieben und die Qualifikation des für ControlExpert tätigen Personals ist nicht überprüfbar.

Letztlich wird eine sachverständige Prüfung nur vorgegaukelt, um berechtigte Ansprüche der Geschädigten herunterzurechnen: Das Gutachten eines qualifizierten, zertifizierten oder öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen wird EDV-mäßig und nicht unterschrieben „korrigiert“ bzw. letztendlich als überhöht dargestellt, ohne dass irgend ein Qualifikationsnachweis von controlexpert vorgelegt wird.

Geschädigten von Verkehrsunfällen kann ich daher nur dazu raten, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies geschieht viel zu selten, nach Angaben des Stern wird bei höchstens 5 % aller Haftpfichtfälle ein Anwalt eingeschaltet.

Dies ist umso erstaunlicher als nach einhelliger Rechtsprechung die gegnerische Haftpflichtversicherung regelmäßig verpflichtet ist, die Anwaltskosten der Geschädigten zu übernehmen. Dies ist aber anscheinend nicht allen Geschädigten bekannt.

Im Übrigen sind auch nicht alle Versicherungen von Übel: ich kann jedem Autofahrer nur dringlich den Abschluss einer Verkehrs-Rechtsschutzversicherung [am besten ohne Selbstbeteiligung] empfehlen. Erfahrungsgemäß fällt es dann wesentlich leichter, den Schritt zum Anwalt zu machen, um seine Rechte geltend zu machen.