Freispruch für den „Rapper“

Mein Mandant war wegen einem Flaschenwurf am 1. Mai 2008 wegen schweren Landfriedensbruch, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt. Mit ihm waren drei weitere Personen wegen schweren Landfriedensbruch angeklagt, da sie ihn angefeuert haben sollen.

Die erste Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten brachte einen seltenen Glücksmoment für mich als Strafverteidiger. Wie Ihnen jeder Strafverteidiger bestätigen wird, ist die Vernehmung von Polizeibeamten als Zeugen ein ganz eigenes Kapitel. Diese wissen als Berufszeugen ganz genau, worauf es ankommt und was das Gericht hören will.

Es gelingt daher nur selten, die Aussagen von Polizeibeamten in Zweifel zu ziehen, auch weil zumindest bei den Strafgerichten häufig ein Glaube an die Unfehlbarkeit der Wahrnehmungs-, Speicherungs- und Erinnerungsfähigkeit von Polizeibeamten sowie deren vermeintlicher Neutralität vorliegt.

Umso erstaunlicher war es, dass der als Tatbeobachter am 1. Mai eingesetzte Polizeibeamte auf meine bohrenden Nachfragen einräumte, dass er die Anfeuerungsrufe der Mitangeklagten entgegen seiner bisherigen Aussage doch nicht gehört hatte und insofern nur eine Schlussfolgerung vorlag. Auch die übrigen Aussagen des Polizeibeamten waren nicht dazu angetan, die Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu untermauern.

Die Richterin sprach die Mitangeklagten frei und verurteilte meinen Mandanten dennoch zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung. In der mündlichen Urteilsbegründung meinte sie fast entschuldigend, dass sie ja der Aussage des Polizeibeamten glauben müsse. Dieser hatte einen Flaschenwurf meines Mandanten beschrieben, der ihm als „Rapper“ besonders aufgefallen sei.

Das Kammergericht hob dann auf meine Sprungrevision wegen Rechtsfehlern das Urteil des Amtsgerichts auf und verwies die Sache zurück, so dass es erneut zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten kam.

Der Polizeibeamte machte auch diesmal nicht sonderlich glaubhafte Angaben, insbesondere wurde er bei Nachfragen geradezu „pampig“ und es wurde deutlich, dass er nicht zwischen seinen Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen unterscheiden konnte oder wollte.

In einem geradezu „revolutionären Akt“ sprach die neue Amtsrichterin daraufhin meinen Mandanten frei. Dies konnte die Staatsanwaltschaft natürlich nicht auf sich beruhen lassen. Es handelt sich ja um ein 1. Mai-Verfahren und diese wirken auf die meisten Berliner Staatsanwälte wie ein bewegtes rotes Tuch auf einen Stier. Die Staatsanwaltschaft legte also Berufung ein und es kam zu einer erneuten Verhandlung, diesmal vor dem Landgericht Berlin.

Die Vernehmung des Polizeibeamten geriet dabei zur Farce. Dieser war inzwischen so unwillig, dass er auf Nachfragen ständig nur auf seine schriftliche Aussage verwies, obwohl die Vorsitzende Richterin ihn wiederholt darauf hinwies, dass er aus seiner Erinnerung berichten müsse. Nachfragen erzürnten ihn und er regte sich zwischendurch so sehr darüber auf, dass die Verhandlung kurzzeitig unterbrochen werden musste. Auf meine Nachfragen leitete er seine Antworten fast nur noch mit „Ich weiß schon worauf Sie hinaus wollen“ ein. Das Ganze konnte man mit Fug und Recht nur als ein Waterloo für die Staatsanwaltschaft bezeichnen.

Folgerichtig sprach dann auch das Landgericht meinen Mandanten frei. Dass nun auch noch das Landgericht dem Polizeibeamten nicht geglaubt hatte, konnte die Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht ertragen und legte Revision ein. Diese nahm die Staatsanwaltschaft aber nun ganz still und heimlich zurück. Nach einem vier Jahre dauernden Verfahren scheint man nun auch dort eingesehen zu haben, dass es auch Richter gibt, die Polizeibeamten nicht alles glauben. Leider ist dies eher die Ausnahme.