Bundesgerichtshof zu Widerruf von Lebensversicherungsverträgen bei unzureichender Belehrung

Nachdem der Bundesgerichtshof bereits Klauseln für die Berechnung des Rückkaufswertes bei Lebensversicherungen für unwirksam erklärt hat, bei denen die Abschlusskosten (zumeist die Vermittlungsprovisionen für die Versicherungsvertreter) mit den ersten Beiträgen verrechnet werden, hat er nunmehr mit Urteil vom 7. Mai 2014 – Geschäftsnummer: IV ZR 76/11 – auch entschieden, dass ein Versicherungsnehmer bei unzureichender Belehrung über sein Widerspruchsrecht auch noch nach Jahren den Widerruf des Vertrages und die Rückzahlung seiner geleisteten Zahlungen verlangen kann.

Das Urteil bezieht sich auf die Rechtslage zwischen 1994 und 2007 und somit potentiell auf alle Lebensversicherungsverträge, die in diesem Zeitraum abgeschlossen wurden. Nach dem damals geltenden § 5a Abs. 2 S. 4 VVG war ein Widerruf des Vertrages durch den Versicherungsnehmer nur bis max. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie möglich.

Der Bundesgerichtshof hatte mit Beschluss vom 28. März 2012 dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob  Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten EU-Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Dritten EU-Richtlinie Lebensversicherung dieser zeitlichen Begrenzung der Widerrufsmöglichkkeit entgegensteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder Widerspruch belehrt worden ist.

Dies war vom Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 19. Dezember 2013 bejaht worden, d.h. die zeitliche Begrenzung der Widerrufsmöglichkeit in der von 1994 bis 2007 geltenden Fassung § 5a Abs. 2 S. 4 VVG verstößt gegen EU-Recht.

Bei einem Widerruf des Vertrages steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Dieser Anspruch soll laut der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs aber nicht alle Prämienzahlungen umfassen.

Vielmehr soll ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden und dabei berücksichtigt werden, dass der Versicherungsnehmer während der Prämienzahlungen Versicherungsschutz genossen hat. Dieser erlangte Versicherungsschutz stelle einen Vermögensvorteil dar, dessen Wert zu ersetzen sein und unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden könne. Bei Lebensversicherungen könne dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.

Da dazu weitere Feststellungen erforderlich sind, hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und an das Oberlandesgericht Stuttgart zurückverwiesen. Die Einzelheiten werden sich aus der noch nicht vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs ergeben.

Soweit bei Abschluss des Lebensversicherungsvertrages keine oder nur eine unzureichende Belehrung erfolgt ist, kann ein Widerruf des Vertrages für einen Versicherungsnehmer günstiger sein, als eine Kündigung, da die (wenn auch nicht vollständige)  Rückzahlung der Prämien einen höheren Betrag ergeben kann, als der Rückkaufswert. Es wird interssant sein, zu sehen, wie sich die Rechtsprechung hinsichtlich der Anrechnung des Wertes des Versicherungsschutzes entwickelt.