OLG Brandenburg zu Einbruchsdiebstahl
Über den kuriosen Fall einer vollgekoteten Unterhose als einzigem Beweismittel eines Wohnungseinbruchsdiebstahls hatte ich an dieser Stelle bereits berichtet. Das Amtsgericht hatte unseren Mandanten in erster Instanz aufgrund eines DNA-Gutachtens verurteilt. Auf unsere Sprungrevision wurde das Urteil aufgehoben und nach Zurückverweisung das Verfahren nunmehr vom Amtsgericht eingestellt.
Den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 11. Januar 2012, Aktenzeichen: (1) 53 Ss 185/11 (88/11), geben wir nachfolgend wieder:
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23. September 2011 mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel – Strafrichter – zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel – Strafrichter – hat den Angeklagten mit Urteil vom 23. September 2011 wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger zunächst ein unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt und dieses nach Zustellung des Urteils als Revision bezeichnet, welche mit näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 24. November 2011 beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel zurückzuverweisen sowie die weitergehende Revision als unbegründet zu verwerfen.
II.
Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist als Sprungrevision zulässig und hat auch in der Sache – vorläufigen – Erfolg.
1. Die Sprungrevision ist zulässig. Das innerhalb der Wochenfrist (§§ 314, 341 Abs. 1 StPO) zunächst unbestimmt erhobene Rechtsmittel ist rechtzeitig innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) als – gemäß § 335 StPO statthafte – Sprungrevision bezeichnet und begründet worden.
2. Die Sprungrevision ist begründet.
Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung aufgrund der zulässig erhobenen Sachrüge insgesamt nicht stand. Es liegen durchgreifende Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung vor. Der Senat hebt deshalb gemäߧ 349 Abs. 4 StPO über den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hinaus das angefochtene Urteil auch im Schuldspruch auf.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Nach § 261 StPO ist der Tatrichter zu umfassender und erschöpfender Würdigung der Beweise verpflichtet. Die Vorschrift verlangt von ihm, dem Revisionsgericht durch entsprechende Darlegungen in den Urteilsgründen die Nachprüfung der getroffenen Feststellungen auf ihre Richtigkeit zu ermöglichen (vgl. OLG Jena, 1 Ss 164/08 in BeckRS 2009, 11602- Beck-online).
Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.
Das angefochtene Urteil genügt den gestellten Anforderungen nicht. Die Beweiswürdigung ist lückenhaft und ermöglicht dem Senat nicht die Nachprüfung, ob der Strafrichter rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gelangt ist.
Der Tatrichter hat im Urteil zwar ausgeführt, dass er aufgrund der vorgefundenen DNA-Spuren und deren Vergleich mit einem DNA-Muster des Angeklagten den Schluss gezogen hat, dass sich der Angeklagte im Heizungskeller des Wohnhauses des Zeugen … in der … Straße in Brandenburg an der Havel aufgehalten und dort die aufgefundene vollgekotete Unterhose hinterlassen hat. Dies allein reicht indes nicht aus, um die Täterschaft des Angeklagten im Hinblick auf den Einbruch und die Diebstahlshandlungen festzustellen.
Dass der Tatrichter den Schluss gezogen hat, dass derjenige, der den vollgekoteten Slip im Heizungskeller zurückgelassen hatte, zwingend auch derjenige war, der in den Keller eingebrochen war und die Diebstahlshandlungen vorgenommen hatte, teilt das Urteil nicht mit und lässt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zweifelsfrei entnehmen.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Zeuge … angegeben, am Vormittag des 24. Oktober 2009 im Keller gewesen zu sein, wobei er keine Einbruchsspuren festgestellt habe. Als er am 25. Oktober 2009 gegen 12:00 Uhr das Wohnhaus wieder betreten habe, habe er sofort festgestellt, dass die Tür zum Keller offen gestanden habe, die sonst immer verschlossen sei. Im Heizungskeller sei die vollgekotete Unterhose vorgefunden worden, ein T-Shirt aus dem Heizungskeller und Gegenstände aus der Wohnung hätten gefehlt.
Ob der Zeuge am 24. Oktober 2009 auch im Heizungskeller gewesen war, das T-Shirt zu diesem Zeitpunkt noch zum Trocknen ausgelegt, die Unterhose zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden war und ob anhand bestimmter Merkmale (Konsistenz) zu erkennen war, dass die Unterhose erst kurz vor dem Auffinden eingekotet worden war, teilt die Beweiswürdigung nicht mit.
Gleichermaßen setzt sich die Beweiswürdigung nicht mit der Frage auseinander, ob der Angeklagte möglicherweise das bereits offen stehende Fenster zum Eintritt in den Keller genutzt haben könnte, um dort seine Notdurft zu verrichten oder ob es schlüssige Hinweise dafür gegeben hat, dass der Angeklagte das zuvor verschlossene Kellerfenster aufgebrochen, den Keller betreten und auch die Gegenstände aus der Wohnung entwendet hatte. So fehlt auch die Beschreibung des Tatortes, der Lage des Kellerfensters sowie der Sichtmöglichkeiten von der Straße aus.
Eine ausreichende Darlegung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise sowie eine Mitteilung der hieraus gezogenen Schlüsse enthält das Urteil nicht.
Das Urteil beruht auf diesem Mangel in der Beweiswürdigung, ist mit den Feststellungen aufzuheben und an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel zurückzuverweisen.
Für den Fall, dass der neue Strafrichter die Täterschaft des Angeklagten im Hinblick auf den ihm vorgeworfenen Wohnungseinbruchsdiebstahl feststellt, wird er bei der Strafzumessung und der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung zu berücksichtigen haben, dass die bloße Aufzählung der letzten Vorstrafen des Angeklagten ohne Darstellung der diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Sachverhalte auch angesichts des Zeitablaufs seit Begehung der den Vorstrafen zugrundeliegenden Taten sowie auch der ihm vorgeworfenen Tat von Oktober 2009 hierfür keine ausreichende Grundlage bieten wird.
Auch wird eine Erörterung im Hinblick auf das Vorliegen eines minderschweren Falles gemäß § 244 Abs. 3 StGB erforderlich sein.
Schließlich wird darauf hingewiesen, dass die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung zur Verteidigung der Rechtsordnung nur dann geboten ist, wenn eine Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte. Dazu ist stets eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung erforderlich, bei der Tat und Täter umfassend zu würdigen sind.