Bundesgerichtshof: Bestechung von Ärzten nicht strafbar
In die Kategorie „Merkwürdig, dass das nicht strafbar ist“ fällt, dass Kassenärzte die für die Verordnung von Arzneimitteln Geld oder andere Geschenke von Pharmafirmen bekommen, nach geltender Rechtslage nicht strafbar sind.
Dies hat der Große Senat des Bundesgerichtshofs in einem heute veröffentlichten Beschluss des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2012 entschieden. Eine Pharmareferentin hatte Kassenärzten Schecks über insgesamt ca. 18.000 Euro übergeben und war zunächst wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Voraussetzung von § 299 StGB ist jedoch u.a., dass jemand im geschäftlichen Verkehr einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil als Gegenleistung dafür gewährt, dass er ihn bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzugt.
Dazu müssten Kassenärzte Angestellte oder Beauftragte eines gewerblichen Betriebes sein. Das Landgericht Hamburg hatte dies mit der Konstruktion versucht, dass Kassenärzte Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen und somit eines geschäftlichen Betriebes im Sinne des § 299 StGB wären.
Es ist menschlich verständlich, die Bestechung von Ärzten (und auch die Bestechlichkeit von Ärzten) als strafrechtlich sanktionswürdig zu empfinden. Die rechtliche Begründung, Kassenärzte als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen einzustufen, lässt mir als Strafverteidiger aber die Haare zu Bergen stehen. Das ist eine klassische sog. „Tatbestandsquetsche“, wo der Sachverhalt um jeden Preis in ein rechtliches Korsett gequetscht wird, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.
Diesem hat der Große Senat des Bundesgerichtshof, dem die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung der Entscheidung vorgelegt wurde, deshalb auch – mit einem großen Seufzer – einen Riegel vorgeschoben.
Der Bundesgerichtshof führt aus, dass Kassenärzte keine Beauftragten der gesetzlichen Krankenkassen sind, da sie ihren Beruf in freiberuflicher Tätigkeit ausüben und im konkreten Fall nicht aufgrund einer in eine hierarchische Struktur integrierten Dienststellung tätig werden, sondern aufgrund der individuellen, freien Auswahl der versicherten Person.
Weiter führt der Bundesgerichtshof noch aus, dass das Verhältnis des Versicherten zum Vertragsarzt wesentlich vom persönlichen Vertrauen und der freien Auswahl des Kassenarztes durch die Versicherten bestimmt wird.
Diese Begründung ist absolut einleuchtend und man ist fast geneigt zu fragen, wieso es dazu einer Entscheidung des Großen Senats des Bundesgerichtshofs bedurfte. Leider hat dies auch zur Folge, dass Kassenärzte Geld und andere Geschenke für Verschreibung von Medikamenten von Pharmavertretern annehmen dürfen, ohne dass sich irgend einer der Beteiligten dadurch strafbar machen würde.
Man kann sich schon bildlich ausmalen, wie die Sektkorken bei den Pharmaunternehmen knallen und die Pharmavertreter noch weitaus öfter in die ganze Republik ausschwärmen, um die „Geschenke“ unter die Kassenärzte zu bringen.
Dies hat natürlich auch der Große Senat des Bundesgerichthof gesehen, der „die grundsätzliche Berechtigung des Anliegens, Missständen, die – allem Anschein nach – gravierende finanzielle Belastungen des Gesundheitssystems zur Folge haben, mit Mitteln des Strafrechts effektiv entgegenzutreten“ sieht. Von den bestehenden Strafvorschriften wird dieses Verhalten aber nicht erfasst und die Rechtsprechung kann die Strafbarkeitslücke nicht schließen, dies kann nur der Gesetzgeber.
Bis der Gesetzgeber tätig wird, kann es aber dauern. Die Bundesärztekammer hat – ganz der Lobbyverband – das Urteil bejubelt und das FDP-geführte Gesundheitsministerium sieht, wen wundert es, keinen Handlungsbedarf, da das Berufsrecht und das Sozialrecht die Entgegennahme von Geschenken für Verschreibungen ja bereits verbieten würden. Da Ärzte eine Stammklientel der FDP sind, die ja für ihre konsequente Klientelpolitik bekannt ist, dürfte sich bis zur nächsten Wahl insofern nichts tun.
Da bleibt als Erstes nur, sich als mündiger Patient zu informieren, ob es nicht auch günstigere Medikamente als das vom Arzt verschriebene Medikament gibt.
Hier noch zwei Presseartikel dazu:
Spiegel Online: Ärzte dürfen Geschenke von Pharmafirmen annehmen
Legal Tribune Online: BGH erklärt korrupte Vertragsärzte für nicht strafbar