Religiöse Beschneidung bei Kindern ist strafbar
Für viel Aufsehen sorgt ein Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 (Az. 151 Ns 169/11), das kürzlich veröffentlicht worden ist. In dem Verfahren ging es um folgenden Sachverhalt:
Ein Allgemeinmediziner hatte im November 2010 im Auftrag der muslimischen Eltern bei einem vierjährigen Jungen eine Beschneidung vorgenommen. Der Eingriff wurde medizinisch einwandfrei durchgeführt, eine medizinische Indikation lag dafür aber nicht vor.
Die Staatsanwaltschaft Köln hatte deshalb gegen den Arzt eine Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben. Das Amtsgericht Köln hatte den Arzt in erster Instanz freigesprochen und zur Begründung ausgeführt, dass die Körperverletzung des Kindes durch wirksame Einwilligung der Eltern gerechtfertigt sei.
Es wog dabei Recht der Eltern aus Artikel 6 Abs. 2 S. 1 GG sowie deren Recht auf Religionsausübungsfreiheit gemäß Artikel 4 Abs. 1, Abs. 2 GG als auch das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit gemäß Artikel 2 GG ab und führte dann aus, „dass die Zirkumzision als traditionell-rituelle Handlungsweise zur Dokumentation der kulturellen und religiösen Zugehörigkeit zur muslimischen Lebensgemeinschaft dient. Damit wird zugleich einer drohenden Stigmatisierung des Kindes entgegengewirkt.“
Es führte dann noch weiter aus, dass das Kind ein Recht auf Bewahrung der körperlichen Integrität hat, aber „die Zirkumzision aus medizinischer Sicht als präventive „Vorsorge-“Maßnahme einen wichtigen Stellenwert einnimmt, indem durch die nach der Zirkumzision herbeigeführte hygienische Verbesserung u.a. potenziellen Krebserkrankungen pp. vorgebeugt wird; ein Aspekt, dem insbesondere im amerikanischen und angelsächsischen Lebensraum besondere Rechnung getragen wird.“
Das Amtsgericht Köln kam daher zu dem Ergebnis, dass die Einwilligung der Eltern wirksam war und sprach den Arzt frei. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein und der Fall wurde vor dem Landgericht Köln in der Berufung neu verhandelt. Das Landgericht Köln verwarf die Berufung der Staatsanwaltschaft und bestätigte somit den Freispruch.
In der Begründung, die zweifelsohne noch für einiges Aufsehen sorgen wird, führte es jedoch aus, dass keine wirksame Einwilligung der Eltern für den Eingriff vorlag. Es bestätigte den Freispruch jedoch, da ein sogenannter unvermeidbarer Verbotsirrtum des Arztes vorlag, der fest davon ausging, dass ihm als frommem Muslim und fachkundigem Arzt die Beschneidung des Jungen auf Wunsch der Eltern aus religiösen Gründen gestattet wäre.
In der Begründung führt das Landgericht Köln aus, dass vom Sorgerecht nur solche Erziehungsmaßnahmen erfasst werden, die dem Wohl des Kindes dienen und „die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Jungen weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfeldes noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes“ entspricht.
Bei der Abwägung der Grundrechte der Eltern aus Artikel 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 GG und dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Abs.1 und 2 Satz 1 GG ist nach Auffassung des Landgerichts Köln ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, wobei die in der Beschneidung zur religiösen Erziehung liegende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit unangemessen sei, wenn sie denn überhaupt erforderlich sein sollte.
Das Landgericht bezieht sich dabei auf die gesetzliche Wertung in § 1631 Abs. 2 Satz 1 BGB und die Tatsache, dass der Körper des Kindes durch die Beschneidung „dauerhaft und irreparabel verändert“ wird. Dies laufe dem Interesse des Kindes zuwider, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können. Auch sei das Erziehungsrecht der Eltern nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie abwarten, ob sich der Junge später selbst für die Beschneidung als Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam entscheidet.
Die Debatte über das Urteil verspricht spannend zu werden. Ich denke, dass die Begründung des Urteils des Landgerichts Köln folgerichtig ist. Auch wenn die Beschneidung eine uralte religiöse Praxis darstellt, so wird dadurch doch die körperliche Unversehrtheit des Kindes dauerhaft und irreparabel beeinträchtigt.
Nur weil es so lange und von so vielen Menschen praktiziert worden ist, folgt daraus noch lange nicht, dass es im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen erfolgt. Das Ganze hat ein bisschen den Beigeschmack wie die Redensart „Das haben wir doch schon immer so gemacht, wo kommen wir denn da hin, wenn wir das jetzt anders machen.“
Es dürfte in der Tat nichts dagegen sprechen, solange damit abzuwarten, bis das Kind alt genug und mündig ist, um darüber selbst zu entscheiden, ob es sich beschneiden lassen will. Damit kann dann immer noch der religiösen Tradition Genüge getan werden.
Bei Betrachtung des Sachverhalts fällt mir im Übrigen noch auf, dass kurios ist, dass die Staatsanwaltschaft Köln neben dem Arzt nicht auch die Eltern des Kindes angeklagt hat. Da diese den Arzt beauftragt haben, hätten diese sich damit der Anstiftung, möglicherweise sogar der Mittäterschaft schuldig gemacht.
Dass dies nicht geschehen ist, deutet darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft Köln wohl einfach nur ein Grundsatzurteil erreichen wollte, um das Thema an die Öffentlichkeit zu bringen. Dies dürfte ihr gelungen sein, allerdings trägt nunmehr die Landeskasse die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Arztes, d.h. insbesondere die Anwaltskosten.