Telefonische Absprachen mit der Staatsanwaltschaft bedeutungslos
Kürzlich kam ein Beschluss des 4. Strafsenats des Kammergerichts, dessen Quintessenz man so zusammenfassen kann: Telefonische Absprache mit der Staatsanwaltschaft sind rechtlich bedeutungslos.
Was war vorausgegangen? Im Oktober letzten Jahres kam ein neuer Mandant in einer fast aussichtslosen Lage zu mir. Er war in einem Strafverfahren wegen Sachbeschädigung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Er stand zum Tatzeitpunkt unter Bewährung sowohl wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis (3 Monate Freiheitsstrafe) als auch wegen Diebstahl (3 Monate Freiheitsstrafe).
Durch die neue Verurteilung war nun bereits eine dieser Bewährungsstrafen widerrufen worden und der Widerruf der anderen Bewährungsstrafe war bereits angedroht (der sog. „Dominoeffekt“). Noch dazu wurde ein von dem Kollegen, der ihn zuvor vertreten hatte, für ihn gestellter Gnadenantrag kurz nach meiner Beauftragung abgelehnt.
Das Ende der Fahnenstange war praktisch erreicht. Im Dezember 2011 kam dann auch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft, die ihn aufforderte, der im Juni erhaltenen Ladung zum Strafantritt unverzüglich Folge zu leisten. Diese Ladung lag dem Mandanten aber nicht mehr vor.
Ich rief daher bei der Staatsanwaltschaft an und konnte zunächst die zuständige Geschäftsstelle nicht erreichen. Ich würde dann schließlich zu der zuständigen Vertretung durchgestellt, die sich die Akte ansah und meinte, dass nach Abschluss des Gnadenverfahrens ohnehin nochmal eine neue Ladung rausgeschickt werden müsste, mit ihr verblieb ich dann so, dass dies veranlasst wird.
Es vergingen nun zwei Monate, ohne dass der Mandant oder ich etwas hörten. Ende Februar 2012 tauchte dann aber die Polizei bei dem Mandanten auf und verhaftete diesen aufgrund eines von der Staatsanwaltschaft ausgestellten Vollstreckungshaftbefehls! Der Mandant wurde dann zunächst in die JVA Moabit gebracht, auf Nachhaken von mir dann aber bald in die JVA des offenen Vollzugs überstellt.
Wer nun denkt, dass gegen diesen Vollstreckungshaftbefehl ein Rechtsmittel gegeben sein müsste, täuscht sich. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist ziemlich einhellig der Meinung, dass sich der Vollstreckungshaftbefehl erledigt hat, wenn er vollzogen worden ist und der Verurteilte auch durch einen rechtswidrigen Vollstreckungshaftbefehl nicht beschwert ist, da er ja rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt wurde und sich nunmehr im Strafvollzug befindet, also genau dort, wo er hingehört.
Es bleibt insofern nur die Möglichkeit, einen Antrag beim Oberlandesgericht – in Berlin das Kammergericht – zu stellen und mit einem sog. Fortsetzungsfeststellungsantrags feststellen zu lassen, dass der Vollstreckungshaftbefehl rechtswidrig war.
Der 4. Senat des Kammergerichts hat auf den entsprechenden Antrag meines Mandanten nunmehr entschieden, dass sein Antrag unzulässig ist. Ein willkürliches Vorgehen der Staatsanwaltschaft könne ein Feststellungsinteresse begründen. Dies könne aber nicht festgestellt werden, ich als sein Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht hätte mich nicht auf das Telefonat mit der nicht benannten Rechtspflegerin der Staatsanwaltschaft [törichterweise hatte ich mir doch ihren Namen nicht notiert!] verlassen dürfen, sondern hätte mich nach dem Telefonat nochmal schriftlich mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung setzen müssen, um dies bestätigen zu lassen.
Dies werde ich in Zukunft gewiss auch immer tun. Den Umgang von Strafverteidigern mit der Staatsanwaltschaft wird dieser Beschluss des Kammergerichts allerdings gewiss nicht vereinfachen. Wenn telefonische Auskünfte und Absprachen mit der Staatsanwaltschaft rechtlich bedeutungslos sind, kann man sich den Griff zum Telefonhörer auch gleich ersparen. Ob dies der Entlastung der Staatsanwaltschaft von im Grunde genommen unnötigem Briefverkehr dient, wage ich zu bezweifeln. Der Beschluss des Kammergerichts wird die Rechtspraxis insofern gewiss nicht vereinfachen.