Flaschenwürfe am 1. Mai – Teil I

Als Strafverteidiger habe ich auf die alljährlichen Auseinandersetzungen rund um den 1. Mai in Berlin einen speziellen Blick. So manches, was dort passiert kann man als Katz-&-Maus Spiel zwischen Polizei und Autonomen ansehen. Es kann allerdings auch als Unbeteiligter sehr leicht geschehen, dass man Beschuldigter wird. In Anbetracht des zeitlichen Abstands kann ich hier von ein paar Verfahren rund um den 1. Mai 2008 berichten, bei denen ich als Strafverteidiger tätig war bzw. noch bin.

Ich wurde dort am 2. Mai 2008 über den anwaltlichen Notruf hinzugezogen und besuchte mehrere Inhaftierte in der Gefangenensammelstelle beim LKA am Tempelhofer Damm. Üblicherweise werden die Beschuldigten am 1. Mai verhaftet und dann zur Gefangenensammelstelle überführt, wo sie gemeinsam mit anderen Inhaftierten in überfüllte Zellen gebracht werden. Alle meine Mandanten haben diese „Übernachtung“  unabhängig voneinander als entsetzlich beschrieben.

Am nächsten Tag entscheidet dann die Staatsanwaltschaft, ob die Beschuldigten dem Haftrichter vorgeführt werden sollen oder freigelassen werden. Bei den vier Verfahren, in denen ich bezüglich des 1. Mai 2008 tätig war, kamen alle Mandanten am 2. Mai 2008 wieder auf freien Fuß, da sie entweder keine oder nur geringfügige Vorstrafen hatten.

In allen Verfahren wurde den Mandanten ein Flaschenwurf in Richtung von Polizeibeamten vorgeworfen und es erfolgte eine Anklage wegen schweren Landfriedensbruchs, versuchter gefährlicher Körperverletzung und teilweise auch wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Strafrechtlich besonders relevant ist der Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs gemäß §§ 125, 125 a StGB, da dieser einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren hat.

Wer nun allerdings in das Gesetz schaut, wird sich vielleicht wundern, dass bei den in § 125 a StGB aufgeführten Regelbeispielen zur Verwendung einer Flasche nichts finden wird. Die Berliner Rechtsprechung hat sich insofern zunächst damit beholfen, nicht den eigentlich gefährlichen Flaschenwurf, sondern das Bei- sich-Führen der Flasche als „andere Waffe“ bzw. „anderes gefährliches Werkzeug“ zu werten und dann strafverschärfend noch darauf abzustellen, dass die Flasche nicht nur bei sich geführt, sondern auch verwendet wurde.

Dann hat das Bundesverfassungsgericht aber in einem Beschluss vom 1. September 2008 ausgeführt: „Ein Kraftfahrzeug kann unter Anlegung dieser Maßstäbe nicht als Waffe angesehen werden, da es weder von der Zweckbestimmung noch von einem typischen Gebrauch her zur Bekämpfung anderer oder zur Zerstörung von Sachen eingesetzt wird.

Damit konnte auch eine Flasche nicht mehr als „andere Waffe“ bzw. „anderes gefährliches Werkzeug“ für eine Bestrafung wegen schweren Landfriedensbruch herangezogen werden, denn auch eine Flasche wird „weder von der Zweckbestimmung noch von einem typischen Gebrauch her zur Bekämpfung anderer oder zur Zerstörung von Sachen eingesetzt„.

Mehr dazu demnächst an dieser Stelle.