Wie man ein „Wiedererkennen“ im Gerichtssaal vermeidet

Ein wichtiges Thema in Strafprozessen ist das Wiedererkennen eines Tatverdächtigen durch Zeugen. Kürzlich ist ein Strafverfahren eingestellt worden, in dem ich als Strafverteidiger wegen Verkehrsunfallflucht tätig war und in dem es um das Wiedererkennen ging.

Meinem Mandanten war vorgeworfen worden, Ende 2010 in Berlin einen Unfall verursacht zu haben und sich vom Unfallort entfernt zu haben, ohne Feststellungen ermöglicht zu haben.

Ich hatte bereits in einer Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren darauf hingewiesen, dass schon nicht nachgewiesen war, dass mein Mandant den von ihm angemieteten Transporter auch selbst gefahren hatte und nach den fotografisch dokumentierten Schäden erhebliche Zweifel an der Kompatibilität der Schäden bestanden, d.h. ob die Schäden tatsächlich durch das gemietete Fahrzeug verursacht wurden.

Auch hatte die einzige Zeugin des Geschehens gar nicht den Unfall beobachtet, sondern nur, dass bei regnerischem Wetter zwei Personen auf der Straße am Heck des Transporters waren, der neben dem PKW gehalten hatte.

Dies hinderte die Staatsanwaltschaft jedoch nicht und sie beantragte einen Strafbefehl über 900 Euro und die Verhängung eines Fahrverbots von einem Monat. das Amtsgericht erließ er diesen Strafbefehl auch, worauf ich für den Mandanten Einspruch einlegte.

Da von der Staatsanwaltschaft keinerlei Wahllichtbildvorlage oder Gegenüberstellung meines Mandanten mit der Zeugin durchgeführt worden war, riet ich ihm, zur Hauptverhandlung nicht zu erscheinen, da ich ihn im Strafbefehlsverfahren vertreten konnte [eine häufig übersehene Regelung in der StPO ermöglicht im Strafbefehlsverfahren – anders als im „normalen“ Strafverfahren – die Vertretung des Angeklagten durch den Verteidiger].

Als ich dann zum anberaumten Hauptverhandlungstermin erschien und mitteilte, dass mein Mandant von mir vertreten wird, war die Richterin „not amused“, sie hatte gehofft, meinen Mandanten durch die Zeugin im Gerichtssaal identifizieren lassen zu können. Da allerdings bereits die Tatsache, dass Anklage erhoben worden ist, Zeugen beeinflusst, wollte ich eine solche unbewusste Beeinflussung der Zeugin verhindern.

Es ergab sich ein recht unfreundliches Streitgespräch zwischen der Richterin und mir. Die Zeugin wurde danach informell befragt, ob sie den Fahrer des Transporters identifizieren könnte. Dies verneinte die Zeugin und die Hauptverhandlung wurde für weitere Ermittlungen ausgesetzt. Es wurde dann noch die Autovermietung angeschrieben, die aber auch keine weiteren Erkenntnisse liefern konnte.

Nachfolgend setzte sich bei der Richterin die Erkenntnis durch, dass kein hinreichender Tatverdacht besteht. Die Staatsanwaltschaft wollte zunächst einer Einstellung des Verfahrens nur dann zustimmen, wenn mein Mandant seine notwendigen Auslagen, d.h. vor allem die Gebühren für meine Tätigkeit, selber tragen würde.

Diesem hat mein Mandant auf meinen Rat hin aber nicht zugestimmt. Die Richterin beraumte daraufhin einen neuen Hauptverhandlungstermin an. Eine Woche vor dem Termin hatte dann aber offenkundig auch die Staatsanwaltschaft ein Einsehen.

Der Hauptverhandlungstermin wurde aufgehoben und nachfolgend kam der gerichtliche Beschluss, wonach das Strafverfahren eingestellt wurde und die Landeskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen meines Mandanten trägt, was man auch als „kleinen Freispruch“ bezeichnen kann. Erfreuliche Folge für den Mandanten ist, dass die Gebühren für meine Tätigkeit auch von der Landeskasse übernommen werden.