Das „Schurkenstück“ – Wer hat in der „Landesverrats-Affäre“ rechtswidrig gehandelt?
Die Generalbundesanwaltschaft hat nunmehr nach Presseberichten die Ermittlungen in der „Landesverrats-Affäre“ gegen die Journalisten André Meister und Markus Beckedahl von netzpolitik.org eingestellt. Es bleiben jedoch einige Fragen. Noch letzte Woche kochten die Emotionen hoch. Der Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof e.V. hatte in einer Pressemitteilung vom 5. August 2015 kritisiert, dass sich aus ihrer Sicht „Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Behinderung der Ermittlungen des Generalbundesanwalts, die bis hin zu dessen Entlassung geführt hat“ ergeben.
In einem Interview mit dem Tagesspiegel vom 6. August 2015 erläutert Harald Reiter als Sprecher des Vereins der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof e.V., dass der Eindruck entstanden sei, dass durch das Justizministerium in laufende Ermittlungen eingegriffen wurde, um ein bestimmtes Ergebnis, das politisch gewollt war, zu erzielen. Als Beleg nimmt er dazu Bezug darauf, dass der bereits beauftragte neutrale Gutachter durch eine hausinterne Stellungnahme ersetzt werden solle. Weiter führt er dann noch aus: „Wenn der Bundesjustizminister aber sein hausinternes Gutachten an die Stelle eines neutralen Gutachters setzt, dann ist das, als würde er die Beweise selbst schreiben.“ Es könne nicht sein, „dass die eigene Stellungnahme des Ministeriums an die Stelle eines bereits beauftragten Gutachtens gestellt wurde. Wenn das ginge, könnte man Fakten manipulieren.“
Die Kollegin RAin Heidrun Jakobs pflichtet dem in dem Beitrag „Update im Schurkenstück Maas, Maaßen und de Maiziere“ bei und führt aus, dass der Sprecher der Bundesrichter und Bundesanwälte im Tagesspiegel die Rechtslage absolut zutreffend zusammen gefasst habe.
Alles klar sollte man also meinen, oder?
Es lohnt sich, dazu zunächst die Fakten und die Rechtslage zu betrachten, bevor man Schlussfolgerungen zieht. Was ist also passiert?
Die Generalbundesanwaltschaft hat am 2. August 2015 folgende Pressemitteilung veröffentlicht:
„Die Bundesanwaltschaft hatte aufgrund der Strafanzeigen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) wegen der Veröffentlichung von als Verschlusssache eingestufter Dokumente auf dem Internet-Blog „Netzpolitik.org“ zunächst lediglich einen Prüfvorgang angelegt. Hintergrund hierfür war, dass eine Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft in Fällen von Geheimnisverrat nur gegeben ist, wenn ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 93 StGB in Rede steht. Das BfV hat im weiteren Verlauf zu dieser Frage ein ausführliches Rechtsgutachten vorgelegt und darin das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses bejaht. Daraufhin hat die Bundesanwaltschaft nach kritischer Prüfung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine möglicherweise strafbare öffentliche Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses gesehen. Nach § 152 Abs. 2 StPO war sie daher gehalten, ein Ermittlungsverfahren auch gegen die bislang unbekannten, ihr Dienstgeheimnis verletzenden Geheimnisträger einzuleiten.
Bereits bei der Einleitung des Ermittlungsverfahrens am 13. Mai 2015 hat Generalbundesanwalt Range angewiesen, dass mit Blick auf das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit keine Maßnahmen gegen die in den Strafanzeigen des BfV namentlich genannten Journalisten ergriffen werden. Vielmehr hat er entschieden, dass zur Wahrung und Sicherung der Objektivität der Ermittlungen ein externes Gutachten zur Beurteilung des Vorliegens eines Staatsgeheimnisses eingeholt werden soll. Ein solches Gutachten wurde am 19. Juni 2015 in Auftrag gegeben.
Der weitere Gang des Verfahrens wird der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am vergangenen Freitag angekündigten Einschätzung zu den offenen Rechtsfragen vorbehalten bleiben.“
Nachfolgend hat Generalbundesanwalt Harald Range am 4. August 2015 dann folgende Pressemitteilung veröffentlicht:
„Zur Wahrung und Sicherung der Objektivität der Ermittlungen habe ich am 19. Juni 2015 ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Der unabhängige Sachverständige sollte klären, ob es sich bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt. Der Sachverständige teilte mir gestern mit, dass es sich nach seiner vorläufigen Bewertung bei den am 15. April 2015 veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt. Der Sachverständige hat damit die Rechtsauffassung der Bundesanwaltschaft und des Bundesamtes für Verfassungsschutz insoweit vorläufig bestätigt.
Die Bewertung des unabhängigen Sachverständigen habe ich dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gestern unverzüglich mitgeteilt. Mir wurde die Weisung erteilt, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen. Dieser Weisung habe ich Folge geleistet.
Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Dieses Freiheitsrecht gilt aber nicht – auch nicht im Internet – schrankenlos. Es entbindet Journalisten nicht von der Einhaltung der Gesetze. Über die Einhaltung der Gesetze zu wachen, ist Aufgabe der Justiz. Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen, wenn sie frei von politischer Einflussnahme ist. Daher ist die Unabhängigkeit der Justiz von der Verfassung ebenso geschützt wie die Presse- und Meinungsfreiheit.
Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.
Mit Blick auf die im Raum stehenden Vorwürfe habe ich mich gehalten gesehen, die Öffentlichkeit hierüber zu informieren.“
Darauf hat Bundesjustizminister Heiko Maas ebenfalls am 4. August 2015 eine Pressemitteilung veröffentlicht und im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt beim Bundespräsidenten beantragt, Harald Range in den Ruhestand zu versetzen. Die Pressemitteilung vom Bundesjustizminister vom 4. August 2015 hat folgenden Inhalt:
„1) Nicht zutreffend ist der vom Generalbundesanwalt Range heute, 4. August 2015, vermittelte Eindruck, dass das BMJV am Montag, 3. August 2015, nach Kenntnis der vorläufigen Bewertung eines externen Gutachters eine Anweisung erteilt hat, den Gutachtenauftrag zurückzuziehen.
Richtig ist vielmehr, dass bereits am vergangenen Freitag, 31. Juli 2015, mit dem Generalbundesanwalt Range die Rücknahme des Gutachtenauftrags gemeinsam verabredet war, und zwar ohne Kenntnis des möglichen Inhalts des Gutachtens.
Im Einzelnen:
Am vergangenen Freitag, 31. Juli 2015, hat das BMJV dem Generalbundesanwalt Range in mehreren Telefonaten seine Zweifel am laufenden Ermittlungsverfahren mitgeteilt und mit ihm die Sachlage erörtert. Das BMJV und Generalbundesanwalt Range haben vereinbart, dass das BMJV eine rechtliche Einschätzung zur Frage des Vorliegens eines Staatsgeheimnisses, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, zeitnah erstellen und Generalbundesanwalt Range übermitteln werde. Diese Einschätzung sollte – im Einvernehmen mit Generalbundesanwalt Range – im Ermittlungsverfahren Berücksichtigung finden und anstelle des bereits in Auftrag gegebenen und extern vergebenen Gutachtens treten. Über mögliche oder erwartete Ergebnisse dieses extern vergebenen Gutachtens wurde nicht gesprochen.
In einem weiteren Telefonat am Freitagnachmittag hat Generalbundesanwalt Range diese Vereinbarung nochmals bestätigt und zugesagt, den externen Gutachtenauftrag zurückzunehmen.
Diese gemeinsam vereinbarte Verfahrensweise hat Generalbundesanwalt Range in seiner Pressemitteilung vom 2. August 2015 auch bestätigt, indem er darauf hinwies, dass der weitere Gang des Verfahrens, der vom BMJV angekündigten Einschätzung zu den offenen Rechtsfragen vorbehalten bleiben wird.
2) Zutreffend ist, dass Generalbundesanwalt Range dem BMJV am Montag, 3. August 2015, mitgeteilt hat, dass eine erste, fernmündlich erteilte vorläufige Bewertung des externen Gutachters vorliege, die davon ausgehe, dass es sich jedenfalls bei einem der veröffentlichten Dokumente um ein Staatsgeheimnis handele. Anscheinend war der Gutachtenauftrag trotz der Zusage von Generalbundesanwalt Range vom Freitag zu diesem Zeitpunkt noch nicht zurückgezogen.
Das BMJV berief sich in diesem Gespräch am Montag, 3. August 2015, beim Generalbundesanwalt Range auf die am Freitag vereinbarte Verfahrensweise. Diese bestätigte Generalbundesanwalt Range erneut und teilte mit, er werde den Gutachtenauftrag zurückziehen.
3) Die Äußerungen und das von Generalbundesanwalt Range heute gewählte Vorgehen sind nicht nachvollziehbar und vermitteln der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck.
Bundesjustizminister Heiko Maas hat Generalbundesanwalt Range mitgeteilt, dass sein Vertrauen in die Amtsführung von Generalbundesanwalt Range nachhaltig gestört ist. Bundesjustizminister Heiko Maas wird deshalb im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt noch heute beim Bundespräsidenten die Versetzung von Generalbundesanwalt Range in den Ruhestand beantragen.
Als Nachfolger für das Amt des Generalbundesanwaltes wird Bundesjustizminister Heiko Maas den Generalstaatsanwalt aus München, Herrn Dr. Peter Frank, vorschlagen.“
Inhaltlich geht es also um die Frage, ob es am Montag, den 3. August 2015 eine Weisung des Bundesjsutizministers gab, den Auftrag für das von der Generalbundesanwaltschaft beauftragte externe Gutachten zurückzuziehen oder bereits am Freitag, den 31. Juli 2015 vereinbart wurde, dass das Gutachten zurückgezogen wird und anstelle dessen ein Gutachten des Bundesjustizministeriums an die Generalbundesanwaltschaft übersendet wird. Für letzteres spricht die eigene Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft vom 2. August 2015, an deren Ende ausgeführt wurde:
„Der weitere Gang des Verfahrens wird der vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am vergangenen Freitag angekündigten Einschätzung zu den offenen Rechtsfragen vorbehalten bleiben.“
Daraus lässt sich klar ersehen, dass nach Eingang der angekündigten Einschätzung des Bundesjustizministeriums über das weitere Vorgehen entschieden werden sollte. Das externe Gutachten wird dabei nicht mehr erwähnt.
Hier soll allerdings der Frage nachgegangen, ob es rechtswidrig gewesen wäre, wenn Bundesjustizminister Heiko Maas eine Weisung erteilt und den Generalbundesanwalt angewiesen hätte, den Auftrag für ein extern vergebenes Gutachten zur Frage des Vorliegens eines Staatsgeheimnisses, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, zurückzunehmen und anstelle dessen an die Generalbundesanwaltschaft eine rechtliche Einschätzung des Bundesjusitzministeriums übermittelt werden sollte, das im Verfahren Berücksichtigung finden sollte.
Gemäß § 146 GVG haben die Beamten der Staatsanwaltschaft den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen. Der Bundesjustizminister ist der Vorgesetzte des Generalbundesanwalts und kann diesem somit dienstliche Anweisungen erteilen.
Die Grenzen des Weisungsrechts ergeben sich aus dem sog. Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) und die dieses positiv wie negativ flankierenden strafrechtlichen Vorschriften der § 258a StGB (Strafvereitelung im Amt), § 344 StGB (Verfolgung Unschuldiger) und § 345 StGB (Vollstreckung gegen Unschuldige). Nach § 152 Abs. 2 StPO ist die Staatsanwaltschaft, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.
Hat ein Staatsanwalt unüberwindliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer dienstlichen Anweisung, ist er – wie im Übrigen jeder andere Beamte auch – gemäß § 63 Abs. 2 BBG, § 36 Abs. 2 BeamtStG zu folgendem verpflichtet:
„Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit.“
Generalbundesanwalt Harald Range hat nach seinen Angaben am 3. August 2015 die Weisung erhalten, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachtenauftrag zurückzuziehen. Dieser Weisung habe er Folge geleistet. Am 4. August 2015 hat er sich dann mit seiner Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewendet und den „unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz“ durch die Weisung des Bundesjustizministers geltend gemacht. [Dass diese Aussage inhaltlich falsch ist, ergibt sich aus dem Vorstehenden. Die Staatsanwaltschaft ist eine weisungsgebundene Behörde. Die Unabhängigkeit der Justiz betrifft nur die Unabhängigkeit der Gerichte. Dies ergibt sich aus Art. 97 Abs. 1 GG: „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“ Der Generalbundesanwalt wusste dies natürlich. Es handelte sich um eine vorsätzlich falsche Aussage.]
Wenn es eine Weisung gegeben hätte, dann hätte Generalbundesanwalt Harald Range bei Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Weisung der sog. Remonstrationspflicht gem. § 63 Abs. 2 BBG, § 36 Abs. 2 BeamtStG nachkommen müssen. Anstatt die Weisung auszuführen, hätte er zunächst seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Anordnung gegenüber dem Bundesjustizminister geltend machen müssen.
Wenn der Bundesjustizminister dann trotzdem die Anordnung aufrechterhalten hätte, so hätte sich der Generalbundesanwalt noch an die Bundeskanzlerin wenden müssen und um eine Bestätigung der Anordnung nachfragen müssen. Der Generalbundesanwalt hat aber nach eigenen Angaben trotz Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Anordnung diese unmittelbar umgesetzt. Darin liegt ein Verstoß gegen § 63 Abs. 2 BBG, § 36 Abs. 2 BeamtStG. Es handelt sich dabei um ein Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 BeamtStG.
Unabhängig davon steht noch die Frage um Raum, ob eine Anweisung zur Rücknahme des Gutachtenauftrags von Bundesjustizminister Heiko Maas rechtswidrig gewesen wäre. Die Staatsanwaltschaft kann im Ermittlungsverfahren gem. § 161a Abs. 1 StPO ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben. Regelmäßig geschieht dies beispielsweise zur Untersuchung von Blutproben, molekulargenetischen Untersuchungen, DNA-Identitätsfeststellungen, toxikologischen Untersuchungen etc.
Die Generalbundesanwaltschaft hat vorliegend zur Beurteilung einer rechtlichen Frage ein Gutachten in Auftrag gegeben.
Der Sachverständige ist ein wesentliches Beweismittel der StPO. Voraussetzung für die Bestellung eines Sachverständigen ist, dass der Sachverständige auf einem bestimmten Wissensgebiet eine – dem Richter oder dem Staatsanwalt in der Regel fehlende – Sachkunde hat, die nicht unbedingt wissenschaftlich zu sein braucht. Der Sachverständige soll über Tatsachen oder Erfahrungssätze Auskunft geben oder einen bestimmten Sachverhalt beurteilen.
Vorliegend hatte die Generalbundesanwaltschaft nach Mitteilung des Generalbundesanwalts am 19.06.2015 ein externes Gutachten zur Beurteilung einer rechtlichen Frage in Auftrag gegeben, nämlich ob auf netzpolitik.org veröffentlichte Informationen den Tatbestand des Staatsgeheimnis im Sinne von § 93 StGB darstellten, d.h. Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.
Es handelt sich dabei um eine rein rechtliche Bewertung. Die Generalbundesanwaltschaft und das Bundesamt für Verfassungsschutz hatten dazu nach Mitteilung von Generalbundesanwalt Harald Range bereits eine Rechtsauffassung, nämlich dass es sich bei den veröffentlichten Informationen um ein Staatsgeheimnis handelte. Das Bundesamt für Verfassungschutz hatte dazu nach Presseberichten mit der Strafanzeige ein eigenes hausinternes zehnseitiges Rechtsgutachten an die Generalbundesanwaltschaft übermittelt.
Der von der Generalbundesanwaltschaft beauftragte externe Sachverständige hatte danach keine Sachkunde, die der Generalbundesanwaltschaft fehlte. Auch konnte er über keine Tatsachen oder Erfahrungssätze Auskunft geben, er konnte nur einen bestimmten Sachverhalt rechtlich beurteilen.
Die Generalbundesanwaltschaft ist aber selbst mit bestens ausgebildeten und erfahrenen Volljuristen besetzt. Die Beurteilung, ob ein Sachverhalt die Voraussetzungen eines Strafgesetzes erfüllt, d.h. ob ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, und deshalb Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt wird, ist ureigenste Aufgabe der Staatsanwaltschaft (§ 170 StPO). Diese Aufgabe kann sie auch nicht delegieren.
Die Generalbundesanwaltschaft hatte auch bereits einen Tatverdacht bejaht, ebenso das Rechtsgutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz. Dass eine Staatsanwaltschaft überhaupt ein externes rechtliches Gutachten in Auftrag gibt, ist in jedem Fall ein extrem seltener Vorgang – mir ist überhaupt kein Fall bekannt, wo dies jemals passiert wäre. Mit dem externen Sachverständigengutachten sollte danach nur eine dritte Meinung zum Sachverhalt eingeholt werden – offenkundig in Anbetracht der politischen Brisanz des Ermittlungsverfahrens.
Es ist danach einfach falsch, wenn Harald Reiter als Sprecher des Vereins der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof e.V. meint, dass der Bundesjustizminister die Beweise selbst schreiben würde, wenn er sein hausinternes Gutachten an die Stelle eines neutralen Gutachters setze und man damit Fakten manipulieren könnte.
Fakten können vorliegend nicht manipuliert werden, da es nur um eine rechtliche Bewertung eines feststehenden Sachverhalts geht.
Ein Gutachten des Bundesjustizministeriums zu diesem Sachverhalt ist auch kein Beweismittel im Sinne der StPO. Beweis kann nur über Tatsachen und Erfahrungssätze erhoben werden. Rechtliche Beurteilungen sind einem Beweis nicht zugänglich. Ein hausinternes Gutachten des Bundesjustizminiteriums, das von der Generalbundesanwaltschaft bei ihrer Beurteilung berücksichtigt werden soll, manipuliert weder Fakten noch wird damit ein Beweis geschaffen. Die Generalbundesanwaltschaft muss danach noch immer eigenständig beurteilen, ob Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt wird.
Es erstaunt daher sehr, dass Harald Reiter, ein Richter am Bundesgerichtshof, derartig falsche Aussagen in einem Interview macht. Eine Anweisung von Bundesjustizminister Heiko Maas an Generalbundesanwalt Harald Range, den Gutachtenauftrag zurückzunehmen, hätte mit geltendem Recht im Einklang gestanden und wäre rechtmäßig gewesen.
Einige Fragen bleiben aber noch offen:
Wer war der externe Gutachter?
Nach welchen Kriterien wurde der externe Gutachter beauftragt?
Wer hat das Gutachten in Auftrag gegeben?
Gab es eine Vergütungsvereinbarung für das Gutachten? Wenn ja, in welcher Höhe?
Und die wichtigste Frage: Warum wurde ich nicht mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt? 🙂
P.S.: Ach ja, wenn Sie sich wundern, wer eigentlich der Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof e.V. ist: damit stehen Sie nicht allein, ich kannte diesen bisher auch nicht. Ein Recherche im Internet ist dazu auch relativ unergiebig. Der Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof e.V. ist danach Mitgliedsverband im Deutschen Richterbund e.V. Anders als die meisten anderen Mitgliedsverbände [19 von 25] im Deutschen Richterbund e.V. hat der Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof e.V. keine eigene Webseite und es nicht bekannt, wer im Vorstand sitzt und wer die Mitglieder sind. Es lässt sich aber vermuten, dass Harald Range Mitglied des Vereins der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof e.V. ist oder war. Es lässt sich auch vermuten, dass durch den Verein der Bundesrichter und Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof e.V. danach seinem Mitglied Harald Range beigesprungen und in der laufenden Debatte Stellung genommen wurde, „um ein bestimmtes Ergebnis, das politisch gewollt war, zu erzielen.“
P.P.S.: Der Kollegin Heidrun Jacobs kann ich danach überhaupt nicht beipflichten. Die taz hat es in einem Artikel vom 7.8.2015 gut auf den Punkt gebracht: „Die ‚Landesverrat-Affäre‘ ist ein klassisches Schurkenstück. Im Mittelpunkt steht Harald Range. Der wahre Schurke bleibt diskret im Hintergrund.„