Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 23. Juli 2015 entschieden, dass die Kündigung einer 63-jährigen Mitarbeiterin rechtswidrig war, die vom Arbeitgeber mit erforderlichen Umstrukturierungen begründet wurde und weil die Mitarbeiterin „inzwischen pensionsberechtigt“ sei. Darin liege ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, die Kündigung sei deshalb unwirksam.
Die Besonderheit liegt darin, dass es sich um einen Kleinbetrieb handelte, in dem das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist, da nur fünf Mitarbeiterinnen beschäftigt waren. Auch Kleinbetriebe sind danach nicht völlig frei bei der Kündigung von Mitarbeitern, dürfen insbesondere nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen.
Dies liegt auf einer Linie mit der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts, der mit Urteil vom 21.02.2001, Az. 2 AZR 15/00 entschieden hatte:
„Auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den, wie auf den Betrieb des Beklagten, das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, hat im Fall der Kündigung ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren. Eine Kündigung, die dieser Anforderung nicht entspricht, verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und ist deshalb unwirksam.“
Nachfolgend der Wortlaut der Pressemitteilung Nr. 37/15 des Bundesarbeitsgerichts zum Urteil vom 23. Juli 2015 in dem Verfahren 6 AZR 457/14:
Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb
Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam.Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013 wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Kündigung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Die Beklagte hat keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 23. Juli 2015 – 6 AZR 457/14 –
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 9. Mai 2014 – 3 Sa 695/13 –