Fehlerquellen beim Wiedererkennen durch Zeugen – Teil 2

Das Wiedererkennen von Tatverdächtigen durch Augenzeugen ist bereits für sich genommen ein fehleranfälliger Vorgang. Dazu werden in der polizeilichen Praxis von Gegenüberstellungen und Wahllichtbildvorlagen nicht selten vermeidbare Fehler gemacht. In Fortsetzung von Teil 1 dieses Beitrags wird nachfolgend die Thematik weiter erörtert.

Neben der Frage der Wahrnehmung des Geschehens durch die Zeugen spielt auch die Verarbeitung des Erlebten eine Rolle. Jede Wahrnehmung wird in einer bestimmten Weise gedeutet, es werden Folgerungen daraus gezogen. Dabei können die Gedächtnisleistung und das Wiedererkennen des Täters durch Erwartungen beeinflusst werden (vgl. Köhnken/Sporer, Identifizierung von Tatverdächtigen durch Augenzeugen, S. 28). Darunter fallen insbesondere Stereotypen wie z.B. das Aussehen eines typischen „Kriminellen“.

Ganz wesentlich ist bei dem Wiedererkennen auch die Speicherung des Erlebten. Menschen vergessen Informationen, dabei unterscheidet sich aber die Geschwindigkeit, in der das Vergessen verläuft. Wichtige persönliche Ereignisse werden deutlich länger und besser erinnert als Ereignisse, die für den Zeugen nur geringe persönliche Bedeutung hatten (vgl. Ludewig/Tavor/Baumer, Wie können aussagepsychologische Erkenntnisse Richtern, Staatsanwälten und Anwälten helfen?, AJP/PJA 11/2011, S. 1415, 1419).

Erinnerung werden dabei aber nicht gleichbleibend vergessen. Der größte Erinnerungsverlust tritt unmittelbar nach dem Ereignis und in den ersten Tagen danach statt. Was aber einmal im Langzeitgedächtnis dauerhaft gespeichert wurde, kann aber noch nach relativ langer Zeit erinnert werden. Je mehr Zeit also zwischen der Beobachtung und der Identifizierung liegt und je kürzer die Beobachtungsdauer war, umso kritischer ist eine erfolgte Identifizierung zu würdigen (vgl. Odenthal, Die Gegenüberstellung im Strafverfahren, S. 25-26 m.w.N.).

Ein ganz wesentlicher Einfluss auf die Gedächtnisleistung eines Zeugen kann auch dadurch eintreten, dass ein Zeuge nach dem Ereignis über andere Personen oder die Medien Informationen erhalten hat. Dies kann dazu führen, dass die Erinnerungen über das Ereignis verzerrt und verändert werden (sog. «Falschinformationseffekt»). Bedeutsam ist dies, da sich Zeugen dieser Veränderungen und ihres Irrtums nicht bewusst sind und glauben, die Wahrheit zu sagen (vgl. Ludewig/Tavor/Baumer, Wie können aussagepsychologische Erkenntnisse Richtern, Staatsanwälten und Anwälten helfen?, AJP/PJA 11/2011, S. 1415, 1420).

Bei der Gegenüberstellung bzw. Wahllichtbildvorlage muss der Zeuge dann einen Abgleich zwischen seiner Erinnerung und der/den gegenübergestellten Personen oder den vorgelegten Lichtbildern machen. Dabei gibt es es einige Besonderheiten zu beachten.

Bei Identfizierungen durch Kinder und Jugendliche wurde in Untersuchungen festgestellt, dass die Fähigkeit zum Wiederkennen mit dem Alter zunimmt und bei jüngeren Kinder ein etwas höheres Risiko eine Falschidentifizierung besteht (vgl. Köhnken/Sporer, aaO, S. 32).

Es gibt bei Zeugen auch unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten zum Wiedererkennen. Personen mit einem guten visuellen Gedächtnis konnten Gesichter besser wiedererkennen. Allerdings zeigte sich auch, dass bessere oder schlechtere Wiederkennensleistungen nicht mit entsprechenden Selbsteinschätzungen der Zeugen übereinstimmen. Angaben von Zeugen über ihre Fähigkeit zum Wiederkennen bieten daher keine Grundlage für die Zuverlässigkeit ihrer Identifizierung (vgl. Köhnken/Sporer, aaO, S. 33).

Grundsätzlich besser konnten im Übrigen auffällige oder einprägsame Gesichter wiedererkannt werden (vgl. Köhnken/Sporer, aaO, S. 38).

Gut erforscht ist der sog. Ausländereffekt, der zwischen alle Rassen auftritt. Personen aus einer anderen Rasse werden deutlich schlechter wiedererkannt als Personen der eigenen Rasse. Dies ist bei der Beurteilung des Wiedererkennens des Angehörigen einer anderen Rasse zu berücksichtigen (vgl. Köhnken/Sporer, aaO, S. 45).

Für die Zuverlässigkeit der Identifizierung ist im Übrigen von entscheidender Bedeutung, wie die Gegenüberstellung bzw. Lichtbildvorlage durchgeführt wird. Dies wird demnächst in Teil 3 dieses Beitrags erläutert.