Ein „Knutschfleck“ als Straftat
Unter die Kategorie „Absurditäten“ der Rechtsprechung gehören zwei Beschlüsse des Amtsgerichts Erfurt und ein Beschluss des Landgerichts Erfurt, die vom Bundesverfassungsgericht im Wege einstweiliger Anordnung mit Beschluss vom 23. Januar 2013, Az. 2 BvR 2392/12, ausgesetzt wurden.
Ein 14-jähriger Junge hatte eine 13-jährige Klassenkameradin am Hals geküsst, so dass ein sogenannter „Knutschfleck“ entstand und ihr darüber hinaus mehrfach mit seinen Händen an das bedeckte Geschlechtsteil gegriffen. Deshalb war er vom Amtsgericht Arnstadt wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verwarnt worden.
Was den Knutschfleck angeht, mag man davon halten, was man will, es ist jedenfalls so entschieden worden. Damit ist die Geschichte aber nicht zu Ende. Das Amtsgericht Erfurt hat aufgrund dieser Verurteilung gemäß § 81 g StPO die Entnahme und molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen des Jungen angeordnet, damit die Eigenschaften in die DNA-Analysedatei eingestellt werden. Auch das Landgericht Erfurt befand dies als rechtens und verwarf die Beschwerde.
Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hat jetzt erstmal dazu geführt, dass die Vollziehung der Entscheidung ausgetzt wurde, da sich das Amtsgericht und Landgericht Erfurt nicht mit dem Vortrag des Jungen auseinander gesetzt hatten, dass er erst 14 Jahre alt war und die Handlungen aus seiner Sicht auf gegenseitiger Zuneigung beruhten, weshalb eine jugendtypische Tat vorgelegen habe, die keine erhebliche Bedeutung gehabt hätte. Mehr dazu auch unter den Beiträgen der Kollegen Maximilian Steinbeis und Udo Vetter.
Vor ein paar Jahren hatten wir mal einen ähnlichen Fall. Unserem 17-jährigen Mandanten wurde die Berührung des Geschlechtsteils und Knutschflecken bei einem 13-jährigen Mädchen vorgeworfen. Das zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 14-jährige (und inzwischen somit strafmündige) Mädchen korrigierte dann aber in der Hauptverhandlung ihre polizeiliche Aussage: es hatte gar keine Berührung des Geschlechtsteils gegeben.
Der Richter überlegte dann allen Ernstes, ob das Verfahren wegen des Knutschfleckes fortgesetzt wird. Die Staatsanwaltschaft war allerdings mit mir der Meinung, dass man nicht wegen einer derartigen Lappalie weiter verhandeln sollte und das Verfahren wurde eingestellt.