Wann sich Kunden gegen hohe Gebühren von Telekommunikationsanbietern wehren können

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 19. Juli 2012 (Az.: III ZR 71/12) entschieden, dass Telekommunikationsanbieter im Rahmen der möglichen technischen Mittel verpflichtet sind, Kunden bei ungewöhnlichem Nutzungsverhalten, das zu einer Kostenexplosion führt, zu warnen und einen Internetzugang gegebenenfalls kurzfristig zu sperren. Telekommunikationsanbieter sind danach verpflichtet, entsprechende Computerprogramme zu nutzen, die ein solches ungewöhnliches Nutzungsverhalten erkennen.

Diese Pflicht des Telekommunikationsanbieters ergibt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs aus § 241 Abs. 2 BGB, da die Telekommunikationsanbieter über eine überlegene Sachkunde verfügen, woraus sich Hinweis- und Aufklärungspflichten gegenüber den Kunden ergeben, wenn diese mangels eigener Kenntnisse die Gefahr einer Kostenexplosion nicht selber ausreichend entgegenwirken können.

Der Bundesgerichtshof führt dazu aus:

„Insbesondere in Bereichen, in denen nicht spezifisch vorgebildeten Verbrauchern die Nutzung anspruchsvoller Technik angeboten wird, kommen solche Hinweis- und Aufklärungspflichten des Vertragspartners in Betracht, der im Gegensatz zur anderen Seite über den notwendigen Sachverstand verfügt. Dies trifft auch und gerade auf den Telekommunikationssektor zu.

In diesem kommt nicht nur komplizierte Technik mit einer mittlerweile schon schwer zu überblickenden Fülle von Anwendungsmöglichkeiten und Tarifen zum Einsatz. Vielmehr zeichnet sich dieser Bereich überdies im Verbund mit der Computertechnologie durch eine besonders dynamische Fortentwicklung aus, die der Durchschnittsverbraucher nicht ständig nachverfolgt“.

Als schwierig zu überschauen bezeichnet der Bundesgerichtshof dabei insbesondere Manipulationsmöglichkeiten Dritter und die potentiellen technischen Fehler, die bei Nutzung der Informationstechnik auftreten und zu einer unerwünschten andauernden Inanspruchnahme von Telekommunikationsangeboten führen können.

Hinweis- und Warnpflichten der Telekommunikationsanbieter können aber selbst dann bestehen, wenn dem Kunden die Nutzung der Leistungen gemäß § 45 i Abs. 4 Satz 1 TKG zuzurechnen ist. Voraussetzung dafür ist, dass dem Anbieter der mögliche Missbrauch seiner Leistungen oder eine Fehlfunktion der vom Kunden verwendeten Technik leicht erkennbar ist, während dem Kunden selbst das Aufdecken solcher Vorgänge und die Vorsorge dagegen nur schwer möglich ist.

Bei derartigen Konstellationen besteht dann ein Schadensersatzanspruch des Kunden gegen den Telekommunikationsanbieter, der mit dem Entgeltanspruch des Telekommunikationsanbieters aufgerechnet werden kann.

Diese Schadensersatzpflicht des Anbieters findet jedoch eine Grenze: der Kunde ist gehalten, unverzüglich zu reagieren, wenn er konkrete Hinweise auf einen irregulären Kostenanstieg hat. Der Kunde hat dann die in seiner Sphäre liegenden Ursachen unverzüglich abzustellen. Anhaltspunkte für einen irregulären Kostenanstieg hätte der Kunde in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bei Zugang der esten Rechnung des Telekommunikationsanbieters gehabt, mit der stark erhöhte Gebühren (15 mal höher als bis dahin) geltend gemacht worden waren.

In diesem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es um die Gebühren für einen Internetanschluss. In einem Urteil vom 15. März 2012 (Az.: III ZR 190/11) hatte der Bundesgerichtshof auch bereits entschieden, dass auch bei mobilem Zugang zum Internet eine vertraglichen Nebenpflicht der Telekommunikationsanbieter besteht, ihre Kunden vor einer sich selbst schädigenden Nutzung zu schützen.

Auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte sind einige Fälle entschieden worden:

Das Oberlandesgericht Schlewig entschied mit Urteil vom 15.09.2011 (Az.: 16 U 140/10), dass die Anbieterin eines Mobilfunkvertrages verpflichtet ist, einen Kunden, dem sie ihm Rahmen des Mobilfunkvertrages durch gesonderten Vertrag ein Mobiltelefon mit einer Navigationssoftware verkauft, nachdrücklich darauf hinweisen muss, dass die automatisch startende Kartenaktualisierung bei seinem Vertrag (der sich nach ihrer Nutzungsempfehlung nur bis 0,5 MB rechnete) wegen sonst entstehender besonders hoher Kosten unbedingt abgebrochen werden muss.

Das Landgericht Kleve entschied mit Urteil vom 15.06.2011 (Az.: 2 O 9/11) entschieden, dass ein TK-Anbieter einem Kunden, der offensichtlich seine Telefonkosten durch die Vereinbarung einer Flatrate niedrig halten wollte, darauf hinweisen muss, dass er durch die Inanspruchnahme eines ausländischen Netzes für Mobilfunk und Datenroaming exorbitant hohe Kosten verursacht.

Das Landgericht Münster entschied mit Urteil vom 18.01.2011 (Az.: 6 S 93/10), dass die TK-Anbieterin verpflichtet war, den Kunden vor Abschluss des Mobilfunkvertrags, mit dem sie dem Kunden gleichzeitig ein Smartphone mit dazu gehörender Navigationssoftware „Route 66“ vermietete, auf die Gefahr erheblicher Kosten durch WAP- und Internetverbindungen und die damit einhergehenden Vorzüge einer Datenflatrate hinweisen musste.

Das Landgericht Bonn hat mit Urteil vom 1. Juni 2010 (Az.: 7 O 470/09) entschieden, dass Telekommunikationsanbieter besondere Fürsorgepflichten gegenüber ihren Kunden haben und auf eine Kostenexplosion bei einem Internetvertrag mit Minutentarif hinweisen müssen und sprach dem TK-Anbieter nur die Gebühren in Höhe ihres Flatrate-Tarifs zu.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main entschied mit Urteil vom 2. November 2007 (Az.: 32 C 1949/07), dass ein Mobilfunkanbieter  einen Kunden unverzüglich auf einen kostenverursachenden Einwahlfehler hinweisen muss, der dem Mobilfunkanbieter auf Grund des äußerst ungewöhnlichen und nur mit einem technischen Fehler zu erklärenden Nutzerverhaltens sofort auffallen musste.

Es gibt insofern durchaus Möglichkeiten für Kunden, sich gegen ungewollt entstandene hohe Gebührenforderungen von Telekommunikationsanbietern zu wehren.