Land haftet für Sturz wegen „desolatem“ Gehweg

Ein erfreuliches Urteil hat der Bundesgerichtshof am 5. Juli 2012 (Az. III ZR 240/11) verkündet:

Das Land Berlin haftet wegen Verletzung der Amtspflicht gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, wenn ein Gehweg desolat ist und ein Bürger deshalb stürzt und sich verletzt.

Eine Rentnerin lief am 24. September 2009  auf der Neumannstraße in Berlin-Pankow und überquerte die Arnold-Zweig-Str. Der Gehwag stammte aus der DDR-Zeit und bestand zum Unfallzeitpunkt aus stark verwitterten Betonplatten, die keine ebene Fläche mehr aufwiesen.

An einem 2 bis 2,5 cm tiefen Loch blieb sie hängen und fiel zu Boden. Dabei zog sie sich schwere Verletzungen im Gesicht, Prellungen im Arm- und Brustbereich sowie eine Verstauchung des rechten Handgelenks zu.

Das Landgericht Berlin hatte ihrer Klage im wesentlichen stattgegeben und das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Pankow, zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt. Das Kammergericht hatte die Berufung des Landes Berlin gegen das Urteil zurückgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat nun die dagegen gerichtete Revision zurückgewiesen und eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des Landes Berlin bestätigt. Aus § 7 Abs. 2 des Berliner Straßengesetzes ergibt sich u.a. die Pflicht des Landes Berlin für einen verkehrssicheren Zustand der Straße zu sorgen bzw. diesen alsbald wiederherzustellen.

Das Bezirksamt Pankow erlitt dabei insbesondere mit der sinnfreien Argumentation Schiffbruch, dass angesichts des offenkundig desolaten Zustands der Betonplatten die Benutzung quasi auf eigene Gefahr erfolgte.

Dies ist natürlich eine sehr bequeme Argumentation, da dann praktisch niemals eine Amtspflichtverletzung vorliegen könnte, denn es ist kaum ein Fall denkbar, wo Gehwegschäden – jedenfalls tagsüber – nicht erkennbar wären.

Dieser Argumentation hat der Bundesgerichtshof dann auch eine deutliche Abfuhr erteilt und führt dazu aus, dass „die Erkennbarkeit einer Gefahrenquelle den Beklagten nicht von der Notwendigkeit der alsbaldigen Wiederherstellung der Verkehrssicherheit“ enthebt.

Nach dem Bundesgerichtshof kann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ausscheiden, wenn „sich der Benutzer auf die Gefahr einstellen kann, was beispielsweise dann in Betracht kommt, wenn er einer auf einem Gehweg vorhandenen und gut erkennbaren Gefahrenstelle unproblematisch auszuweichen vermag.“

Vorliegend war aber „der ganze Überweg in einem so desolaten Zustand, dass selbst ein umsichtiger Fußgänger der Gefahr nicht ausweichen konnte“. Soll heißen: der Weg war in so schlechtem Zustand, dass man ihn an keiner Stelle gefahrlos benutzen konnte.

Da der desolate Zustand des Gehwegs dem Bezirksamt Pankow über mehrere Jahre bekannt war und dieses trotzdem untätig blieb, half auch der Verweis auf finanzielle Engpässe nicht. Nach diesem Urteil man kann man zumindest ein bisschen hoffen, dass nun wenigstens desolate Gehwege in Berlin ausgebessert werden.