Verfassungsbeschwerde gegen Beschneidungsgesetz?

Der Bundestag hat am 12. Dezember 2012 das sog. Beschneidungsgesetz verabschiedet. Dadurch wurde in § 1631 d BGB geregelt, dass die Personensorge auch das Recht umfasst, in eine medizinisch nicht erforderliche, nach den Regeln der ärztlichen Kunst  vorgenommene Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen.

In den ersten sechs Monaten darf die Beschneidung auch von durch Religionsgesellschaften dazu vorgesehenen und besonders ausgebildeten Personen durchgeführt werden. Ursache für diese Regelung war ein Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012, wonach eine Beschneidung eine Körperverletzung des Kindes ist, die durch die Einwilligung der Eltern nicht gerechtfertigt ist, also grundsätzlich strafbar ist.

Ein Leser des Blogs verwies darauf, dass die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sehr strittig ist und fragte zu den notwendigen Bedingungen für eine Verfassungsbeschwerde.  Diese sind vorliegend als schwierig anzusehen.

Für eine Verfassungsbeschwerde ist immer Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist. Für mich ist praktisch eigentlich nur eine Fallkonstallation denkbar, nämlich dass Streit zwischen Sorgeberechtigten eines minderjährigen Jungen über die Frage einer Beschneidung besteht und ein Elternteil deswegen vor Gericht geht.

Da das Bundesverfassungsgericht auch eine unmittelbare Betroffenheit durch die gesetzliche Regelung fordert (d.h. das Gesetz darf keines weiteren Vollzugsaktes mehr bedürfen), müsste zunächst der Instanzenzug vor den Familiengerichten ausgeschöpft werden, bevor Verfassungsbeschwerde erhoben werden kann, es sei denn, dass ein Familiengericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit hat und eine kontrete Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG beantragt.

Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auch am 8. Februar 2013, Az. 1 BvR 102/13, eine Verfassungsbeschwerde eines Mannes zurückgewiesen, bei dem im Jahr 1991 eine Beschneidung vorgenommen wurde. Es fehlte u.a. daran, dass der Mann nicht selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die Regelung betroffen war (s. auch Artikel im Verfassungsblog).

Bevor das Bundesverfassungsgericht also inhahtlich über die Verfassungsmäßigkeit von § 1631 d BGB entscheidet, dürften also einige Jahre ins Land gehen, denn es sieht ganz und gar nicht danach aus, dass die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG eine abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht beantragen wird.