Beratungshilfe: Warum Anwälte nicht ohne Berechtigungsschein tätig werden

Das Beratungshilfegesetz sieht für Menschen mit geringem Einkommen die Möglichkeit vor, in bestimmten Rechtsgebieten außergerichtliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen.

Auf entsprechenden Antrag stellt das Amtsgericht bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Beratungshilfeschein gemäß § 6 BerHG für die Gewährung von Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt eigener Wahl aus. Daneben besteht auch gemäß § 7 BerHG die Möglichkeit, dass der Rechtsanwalt für den Mandanten einen entsprechenden Antrag stellt.

Mein Mandant hatte Probleme mit seinem Telefonanschluss der Firma Vodafone, so dass Anfang 2011 ein Techniker geschickt wurde. Danach war das Problem behoben, aber mein Mandant sollte den Technikereinsatz zahlen. Nach meiner Intervention wurden dann die Kosten storniert, so jedenfalls laut einem Schreiben der Firma Vodafone.

Im Dezember 2011 hatte mein Mandant dann wieder Probleme mit seinem Telefon- und Internetanschluss.

Der Internetanschluss meines Mandanten funktionierte ab 21. Dezember 2011 nicht mehr. Ab Freitag, den 23. Dezember 2011 funktionierte es dann wieder, jedoch gab es immer wieder Probleme sowohl mit Internet als auch Telefon. Nach einem Anruf auf der Störungsstelle wurde meinem Mandanten gesagt, dass das Modem defekt sei. Es wurde ihm dann die Übersendung eines neuen Modems angeboten. Ab 24. Dezember 2011 um 21.00 Uhr gingen dann weder Telefon noch Internet.

Nach einem Anruf auf der Störungsstelle wurde das Problem an einen Techniker weitergeleitet. Ab 25. Dezember 2011 um 06.00 Uhr ging das Telefon wieder, aber das Internet weiterhin nicht. Telefonisch wurde meinem Mandanten nun mitgeteilt, dass die Leitung abgeklemmt sei, weil ein Betrag von 71,66 € offen sei.

Zwischendurch ging das Telefon dann wieder nicht, bevor es ab 26. Dezember  2011 um 19.00 Uhr wieder funktionierte. So ging es abwechselnd bis zum 02. Januar 2012. Bei einem Telefonat am 28. Dezember 2011 wurde unserem Mandanten von der Störungsstelle gesagt, dass alles abgeklemmt werde.

Mein Mandant wies darauf hin, dass der Betrag von 71,66 € von ihm nicht zu zahlen wäre, da es sich um einen Technikereinsatz handelte, den er nicht veranlasst hatte. Das war ja auch alles eigentlich schon geklärt.

Ab 2. Januar 2012 um 10.00 Uhr ging dann sowohl das Telefon nicht als auch nach wie vor das Internet nicht. Bei einem Anruf auf der Störungsstelle wurde unserem Mandanten nun gesagt, dass alle seine Geräte kaputt seien. Als unser Mandant sagte, dass dies nicht sein könnte, wurde von der Mitarbeiterin einfach aufgelegt. Zuvor wurde ihm noch gesagt, dass er alle Geräte selber kaufen müsse.

Daraufhin wendete er sich erneut an mich. Ich erklärte mich ausnahmsweise einverstanden, nachträglich Beratungshilfe für ihn zu beantragen, schrieb Vodafone an und erklärte für meinen Mandanten die fristlose Kündigung des Vertrages. In seiner Antwort erklärte sich Vodafone mit einer Vertragsbeendigung einverstanden und die Sache war soweit geklärt. Ich beantragte für meinen Mandanten die nachträgliche Beratungshilfe und rechnete gegenüber dem Amtsgericht Neukölln ab.

Von einer Rechtspflegerin erhielt ich daraufhin Folgendes Schreiben:

In der Sache … wird mitgeteilt, dass eine Gewährung von Beratungshilfe wegen folgender Gründe nicht möglich ist. …

Das rechtliche Problem ist nicht erkennbar. Vorliegend handelt es sich um eine einfache fristlose Kündigung. Es ist nicht klar wieso Ihr Mandant dazu anwaltlicher Hilfe bedurfte. Er hätte den Vertrag selbst fristlos kündigen können. Der Partei ist im Wege der Selbsthilfe durchaus zuzumuten, sich zunächst selbst schriftlich an die Gegenseite zu wenden. Es ist hierbei ein gewisses Maß an Eigeninitiative zu erwarten, damit es nicht zu einer Besserstellung der mittellosen Rechtssuchenden gegenüber Selbstzahlern kommt. Ihre anwaltliche Tätigkeit wäre nach hiesiger Meinung somit nicht notwendig gewesen.

Weiter wäre die Inanspruchnahme eines Anwalts nach hiesiger Ansicht mutwillig. gem. § 1 Abs. 1 Ziff.2 BerHG Beratungshilfe nur dann zu gewähren ist, wenn keine andere Möglichkeit der Hilfe zur Verfügung steht. Damit hat der Gesetzgeber ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass die Regelungen des Beratungshilfegesetzes nur subsidiär gelten sollen.

Eine andere Hilfemöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG hier die Verbraucherzentrale Berlin da. Sie wäre zuerst als Hilfsmöglichkeit in Anspruch zu nehmen (BVerfG, Beschluss vom 20.02.2012, 1 BvR 2695/11, vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobei-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Auflage, S. 370 Rn. 955).

Sie werden daher gebeten Ihren Antrag binnen 2 Monaten zurückzunehmen.

Das fand ich selbst für das Amtsgericht Neukölln, deren RechtspflegerInnen nach Mitteilung einer Kollegin öfters erstaunliche Kreativität bei der Ablehnung von Beratungshilfe entwickeln, so dreist, dass ich dazu Folgendes schrieb:

„Es erstaunt immer wieder, mit welch fadenscheinigen Begründungen teilweise Beratungshilfe versagt werden soll.

Wie sich bereits aus dem Inhalt unseres Schreibens vom 12. Januar 2012 ergibt, hat sich unser Mandant zunächst wiederholt an die Firma Vodafone gewendet und eine Vielzahl von Telefonaten geführt, ohne dass er damit etwas erreichen konnte.

Ob die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung vorliegen, ist im Übrigen keine einfache rechtliche Frage, sondern bedarf dezidierter rechtlicher Kenntnisse. Dies gilt insbesondere bei der Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorliegt. Auch ein selbstzahlender Mandant hätte in dieser Lage die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen.

Fehl geht auch der Hinweis auf die vermeintliche andere Hilfemöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem entschiedenen Fall die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da dieser nicht hinreichend substantiiert war. Im Übrigen ging es in dem dortigen Fall um eine urheberrechtliche Abmahnung und nicht um einen Telefon- und Internetvertrag.

Dass die Verbraucherzentrale auch in derartigen Rechtsfragen versiert wäre, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen könnte mit der gerichtlichen Begründung die Beratungshilfe auch gleich abgeschafft werden und gesetzlich geregelt werden, dass sich alle Rechtssuchenden an die Verbraucherzentralen wenden sollen, da diese nach gerichtlicher Auffassung anscheinend für alles kompetent sind. Die gerichtliche Argumentation ist hier offenkundig fiskalisch motiviert und entbehrt jeglicher rechtlicher Grundlage.“

Es ist schon abzusehen, dass eine Beschwerde notwendig werden wird. Leider muss ich meinen Mandanten nunmehr immer sagen, dass ich ohne vorherige Vorlage eines Beratungshilfescheines nicht tätig werden kann. Dem Amtsgericht Neukölln sei Dank.