Bundesverfassungsgericht: Wahlrecht ist verfassungswidrig

Manchmal hat man den Eindruck, es vergeht keine Woche, wo nicht wieder eine gesetzliche Regelung vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben wird. Trotz einer Vielzahl an hoch bezahlten Ministerialbeamten gelingt es der Bundesregierung augenscheinlich immer weniger, verfassungsgemäße Gesetze zu entwerfen.

Die neueste „Backpfeife“ für die Bundesregierung und die Regierungskoalitionen ist das heute verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az. 2 BvE 9/11), wonach wesentliche Bestimmungen ( § 6 Abs. 1 Satz 1 BWG + § 6 Abs. 5 BWG) des erst im Dezember 2011 neu verabschiedeten § 6 des Bundeswahlgesetzes nichtig sind.

Dies ist umso blamabler, als das Bundesverfassungsgericht bereits mit Urteil vom 3. Juli 2008 (Az. 2BvC 1/07) die damaligen Regelungen in § 7 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Absätze 4 und 5 des Bundeswahlgesetzes für verfassungswidrig erklärt hatte, da dadurch ermöglicht wurde, dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen kann.

In der heutigen Entscheidung wurde § 6 Abs. 1 Satz 1 BWG für verfassungswidrig erklärt. Dadurch ist der Effekt eines sog. negativen Stimmgewichts möglich, bei dem ein Zuwachs an Stimmen zu Mandatsverlusten führt. Darüber hinaus ist auch der durch § 6 Abs. 5 BWG mögliche Anfall von Überhangmandaten verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht sieht die zulässige Grenze an Überhangmandaten bei einem Umfang von etwa einer halben Fraktionsstärke (derzeit 15 Mandate).

Nach den (O-Ton Verfassungsgerichtspräsident Voßkuhle) „ernüchternden“ verfassungswidrigen Regelungen hat das Bundesverfassungsgericht diesmal, anders als noch im Jahr 2008, keine Übergangsfrist für eine Neuregelung mehr gewährt. Für die im nächsten Jahr stattfindende Bundestagswahl muss daher sehr schnell eine neue und diesmal hoffentlich verfassungskonforme gesetzliche Regelung verabschiedet werden.