Heute keinen Beliebtheitspreis gewonnen

Es gibt Tage, da muss man sich als Verteidiger unbeliebt machen.

Die Strafgerichte sind in der Regel nur an einer möglichst schnellen und unkomplizierten Erledigung des Verfahrens interessiert. Die Strafverteidigung stört da nur den Verfahrensablauf und wird gerne als Konfliktverteidigung angesehen, die die „kostbaren Ressourcen der Justiz“ strapaziert.

In einer Strafsache wegen Nötigung im Straßenverkehr war ich heute als Verteidiger beim Amtsgericht Tiergarten. Der Mandant verspätete sich wegen des starken Verkehrsaufkommens und so kam es zu einem längeren Vorgespräch mit dem Richter.

Dieser versuchte meinte dabei, dass hier anstelle einer Nötigung im Straßenverkehr ja auch eine Verurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315 c StGB und eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111 a StPO bereits heute in der Hauptverhandlung in Betracht kämen und ob ich nicht mit meinem Mandanten eine Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl erörtern wolle.

Ich erwiderte dann, dass ich mir vieles vorstellen könnte, hier aber eher an eine Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO gedacht hätte. Er erwiderte energisch: „Nein, auf keinen Fall. Sowas wie der Angeklagte darf nicht am Straßenverkehr teilnehmen.“

Weiter meinte er noch, dass der Beschilderungsplan ja nichts von einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 km/h ergeben hätte, sondern 80 km/h galten. Der Angeklagte habe damit ja bereits seine erste Niederlage erlitten. Der Angeklagte habe es sich offensichtlich eingebildet, dass dort nur 60 km/h galten. Es werde hier heute kaum besser werden.

Das war dann allerdings zuviel des Schlechten und ich besprach mit dem Mandanten, der dann etwas später eintraf, die Frage einer Ablehnung des Richters wegen Befangenheit und stellte dann einen entsprechenden Antrag. Der Termin wurde daraufhin ausgesetzt und es wird nun zunächst über den Befangenheitsantrag entschieden.

Zwei Stunden später fand dann bei einer anderen Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten eine Hauptverhandlung in einer Bußgeldsache statt. Dort ging es um einen Verkehrsunfall, wobei die Mandantin und ihr Ehemann sagten, dass es gar nicht zu einer Berührung der Fahrzeuge gekommen sei.

Es wurden verschiedene Zeugen gehört und Fotos in Augenschein genommen. Nach den Fotos konnte man durchaus zweifeln, ob tatsächlich eine Berührung der Fahrzeuge stattgefunden hat. Ich erörterte daher die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens mit der Richterin.

Die Richterin fragte aber noch vor Vernehmung des Ehemanns der Mandantin, ob ich nicht über eine Rücknahme des Einspruchs mit meiner Mandantin sprechen wolle. Sie würde hier heute die Mandantin zur Zahlung eines Bußgeldes verurteilen.

Ein Unfallrekonstrukationsgutachten würde ja viel Geld kosten und auch wenn sie rechtsschutzversichert sei, könnte die Rechtsschutzversicherung ihr bei zu hohen Kosten kündigen und dann hätte sie zukünftig vielleicht keine Rechtsschutzversicherung mehr.

Nach kurzer Rücksprache mit der Mandantin bestanden wir auf der Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens und die Hauptverhandlung wurde zwecks Einholung eines Sachverständigengutachtens ausgesetzt.