Urteil Amtsgericht Frankfurt am Main zu Falschangaben des Maklers im Volltext

Vor kurzem ging ein Empörungssturm durch die Presse mit Überschriften wie „Urteil in Frankfurt: Makler dürfen lügen“ oder „Makler dürfen bei der Wohnungsgröße tricksen“ oder „Makler dürfen Falschangaben machen„.

Ich habe zu dem Urteil bereits in diesem Artikel Stellung genommen. Ein Leser hat mir nun freundlicherweise das Urteil des Amtsgericht Frankurt am Main vom 19.09.2012, Aktenzeichen: 33 C 3082/12 (93) im Volltext übersandt, welches ich hier nachfolgend wiedergebe:

 

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1664,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 181,62 € seit dem dem 4.4., 4. 5..und 5.6.2012 sowie aus 1120 € seit dem 5.7.2012 zu zahlen.

Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 272,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.8.2012 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird für die Klage auf 1664,86€ und für die Widerklage auf 2177,28 € festgesetzt.

Tatbestand

Mit schriftlichem Mietvertrag vom 10.2.2012 mieteten die Beklagten von der Klägerin eine Zweizimmerwohnung in der … in Frankfurt am Main. Der Abschluss des Mietvertrages war durch eine Maklerin vermittelt worden.Die Maklerin hatte die Wohnung im Internet auf der Plattform … mit der Angabe „Wohnfläche 74 m²“ angeboten.

Vereinbart war eine Nettomiete von 920 € und eine Betriebskostenvorauszahlung von 200 € monatlich, insgesamt somit ein Betrag von 1120 €. Mit Schreiben vom 13.03.2012, auf das Bezug genommen wird, teilten die Beklagten der Klägerin  mit, sie hätten die Wohnung vermessn und festgestellt, dass diese lediglich 62 qm groß sei. Sie forderten die Rückzahlung überzahlten Mietzinses für Februar und März und kündigten an, die Miete in Zukunft entsprechend anzupassen. In der Folgezeit zahlten
die Beklagten für die Monate April und Mai und Juni 2012 jeweils eine um 181,62 geminderte Miete. Die Miete für Juli 2012 zahlten sie in voller Hohe nicht.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.4.2012 forderte die Klägerin die Beklagten zum Ausgleich der Miete für April 2012 und zur Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,87 € bis zum 7.5.2012 auf.

Gegenüber dem Anspruch auf Zahlung von Mietzins für Juli 2012 erklärten die Beklagten mit Schreiben vom 29.3.2012 die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Mietzinses für Februar und März 2012 in Höhe von insgesamt 272,43 € und mit einem Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Kaution in Höhe von 447,57 €.

Mit Schreiben vom 10.5.2012 erklärten die Beklagten die Aufrechnung mit Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 1089,15 €. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Schreiben vom 10.5.2012.

Die Klägerin behauptet, die streitgegenstandliche Wohnung sei ca. 68 m² groß. Die Angabe der Wohnfläche in der Anzeige dar Maklerin stamme nicht von der Klägerin. Die Maklerin habe die Wohnung vielmehr mit einer anderen Wohnung verwechselt. Dies habe sie am 10.2.2012 bei der Besichtigung der Wohnung vor Vertragsunterzeichnung gegenüber den Beklagten klargestellt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1664,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 181,62 € seit dem 4.4., 4.5. und 5.6.2012 sowie aus 1120 € seit dem 5.7.2012 zu zahlen sowie an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 272,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.8.2012 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage beantragen die Beklagten,

festzustellen, dass die Beklagten gegenüber der Klägerin berechtigt sind, die Miete für die von den Beklagten in der … angemietete Wohnung für die Dauer des Mietvertrages um 16,2 % bezogen auf die Ursprungsmiete zu mindern.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Maklerin habe bei der Besichtigung der Wohnung und
kurz vor Unterzeichnung des Mietvertrages die Wohnflächenangabe von 74 m² bestätigt.

Entscheidungsgründe

Die Widerklage ist zulässig. Die Beklagten haben ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 ZPO an der Feststellung, dass sie zur Minderung des Mietzinses berechtigt sind.

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten gemäß § 535 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung der ausstehenden Mieten für die Monate April und Mai und Juni 2012 in Höhe von je 181,62 € und für Juli 2012 in Höhe von 1120 €.

Der Mietzins war nicht gemäß § 536 BGB wegen eines Mangels der Mietsache gemindert.

Die Erwartung der Beklagten, die Wohnung sei 74 m² groß ist nicht, auch nicht konkludent, zum Vertragsinhalt geworden. Eine ausdrückliche Regelung im Mietvertrag haben die Parteien nicht getroffen, eine solche war im Formularmietvertrag auch nicht vorgesehen.

Eine Angabe der Wohnfläche wird jedoch nicht nur dann zur Sollbeschaffenheit, wenn dies im Mietvertrag ausdrücklich geregelt ist. Die berechtigten Erwartungen des Mieters können auch konkludent zum Vertragsinhalt werden, wenn der Vermieter diese erkennen musste (BGH NJW 2010, 2648).

Im vom BGH entschiedenen Fall hatte der Vermieter durch seinen Makler nicht nur in einer Wohnungsanzeige Angaben zur Wohnfläche gemacht, sondern zusätzlich dem Mieter vor Vertragsschluss eine Wohnflächenberechnung übergeben. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Die alleinige Angabe der Wohnfläche in einer Zeitungsannonce genügt aber nicht, wenn im Mietvertrag kein Hinweis auf die Wohnungsgröße enthalten ist (Ehlert in Beckscher Online Kommentar BGB 536 Rn. 64).

Ob Angaben zur Wohnfläche als Zusicherung im Sinne des 536 Abs. 2 [BGB] zu werten sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, d.h. ob in den Vermieterangaben ausnahmsweise die Übernahme einer Garantie hinsichtlich der Größe der vermieteten Räume gesehen werden kann. Das wird aber nicht schon in jeder Größenangbe der Wohnfläche in einer Zeitungsannonce oder bei Flächenangaben in Maklerexposés gesehen.

Vielmehr ist stets erforderlich, dass besondere Umstände vorliegen, die auf den Garantiewillen des Vermieters schließen lassen. Dafür ist es zumindest erforderlich, dass die Parteien bei Vertragsschluss auf eine für den Mieter erkennbar ausschlaggebende Flächenangabe in einer vom Vermieter oder Makler geschalteten Zeitungsannonce Bezug nehmen. Hierfür liegen vorliegend keine Anhaltspunkte vor.

Auch nach den Angaben der Beklagten war bei Unterzeichnung des Mietvertrages durch sie niemand von der Klägerin anwesend.

Die Maklerin ist nicht als Vertreterin der Klägerin anzusehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie die Lebensgefährtin eines der Geschäftsführer der Klägerin ist.

Da der Mietzins nicht gemindert war, greift auch die von den Beklagten erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen auf Rückzahlung überzahlten Mietzinses für die Monate Februar und März 2012 in Höhe von 272,43 € und auf Rückzahlung der anteiligen Kaution in Höhe von 447,57 € nicht.

Weiterhin schulden die Beklagten der Klägerin die vorgerichtliche entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 272,87 € gemäß § 286 BGB als Verzugsschaden.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten ferner gemäß § 286, 288 BGB einen Anspruch auf Zinsen in gesetzlicher Höhe seit Verzugsbeginn.

Aus den dargelegten Gründen ist die Widerklage nicht begründet. Der Mietzins ist nicht gemäß § 536 BGB gemindert.

Die Kostenentscheidung beruht auf 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

Blacker,
Richterin am Amtsgericht