Alkohol am Steuer – Führerscheinentzug ist vermeidbar

Unser Mandant wurde Ende Juni 2012 bei einer Verkehrskontrolle angehalten. Eine durchgeführte Atemalkoholkontrolle-Kontrolle ergab einen Wert von über 1,5 Promille. Eine nachfolgende Blutentnahme bestätigte das Ergebnis: 1,51 Promille Blutalkoholkonzentration.

Der Führerschein wurde daraufhin beschlagnahmt, da absolute Fahruntüchtigkeit vorlag. Der Grenzwert von 1,1 Promille war deutlich überschritten.

Das Problem bei unserem Mandanten war dabei aber, dass er beruflich auf seinen Führerschein angewiesen ist und in seinem Arbeitsvertrag sogar eine Klausel enthalten ist, dass das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werden kann, wenn er keine Fahrerlaubnis mehr hat.

Ohne das Einkommen aus der Arbeit könnte er jedoch auch seinen Wohnungskredit nicht mehr bezahlen und würde seine Wohnung verlieren. Ohne Führerschein könnte er aber auch keine neue Stelle annehmen. Es bestand also eine existenzielle Gefährdung.

Ich riet meinem Mandanten daher in der ersten Besprechung, sofort eine Verkehrstherapie bei IVT-Hö zu beginnen und diese so intensiv wie möglich durchzuführen.

Gleichzeitig sprach ich mit der Staatsanwaltschaft über die Situation und stimmte mit ihr ab, dass sie einen Antrag im beschleunigten Verfahren stellt. Das Gericht lehnte diesen Antrag leider zunächst ab, da der Vertretungsrichter überlastet war. Nach Rückkehr der zuständigen Richterin konnte ich mit dieser jedoch einen kurzfristigen Termin abstimmen.

In der Zwischenzeit hatte unser Mandant äußerst intensiv die Verkehrstherapie durchgeführt werden und an einem Abstinenzprogramm teilgenommen und konnte glücklicherweise auch die Zeit bei seinem Arbeitgeber überbrücken.

In der Hauptverhandlung wurde dann auch der Verkehrstherapeut Hr. Himmelreich als sachverständiger Zeuge gehört, der überzeugend darlegte, dass mein Mandant in der kurzen Zeit von zweieinhalb Monaten eine äußerst intensive Verkehrstherapie durchgeführt hat, wofür er Kosten von über 3.000 € aufgewendet hat und eine Aufarbeitung der Ursachen des Trinkverhaltens und eine Änderung in den Einstellungen stattgefunden hat, wie auch durch das Abstinenzprogramm belegt ist.

Das Amtsgericht hat meinen Mandanten daher zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB verurteilt und nur eine zweimonatiges Fahrverbot gemäß § 44 StGB verhängt, welches durch die Zeitdauer der vorläufigen Beschlagnahme abgegolten ist. Mein Mandant erhielt daher im Hauptverhandlungstermin seinen Führerschein zurück und kann wieder fahren und arbeiten gehen.

Dies ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich: § 69 StGB ordnet bei bestimmten Verkehrsdelikten, darunter auch fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, an, dass die Fahrerlaubnis regelmäßig zu entziehen ist. Ausnahmsweise kann ein Gericht davon Abstand nehmen.

Die Rechtsprechung in Deutschland ist dabei jedoch sehr zurückhaltend. Erst in den letzten Jahren gibt es langsame Erkenntnis in der Richtung, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis keine Strafe ist, sondern eine Maßregel, die der Sicherheit des Strassenverkehrs dient.

Bei Maßregeln ist immer darauf abzustellen, ob diese zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts erforderlich sind oder nicht. Diese Erkenntnis setzt sich  bei der Entziehung der Fahrerlaubnis aber nur sehr langsam durch und viele Gerichte entziehen gewohnheitsmäßig die Fahrerlaubnis, weil sie das schon immer so gemacht haben und überhaupt, wo käme man da hin …

Außergewöhnlich ist der Fall auch deshalb noch, weil die Zeitdauer der vorläufigen Beschlagnahme des Führerscheins mit zweieinhalb Monaten sehr gering ist (mir ist bei den Verkehrsstraftaten gemäß § 69 StGB kein Fall bekannt, wo nach so verhältnismäßig kurzer Zeit im Falle der Verurteilung bereits der Führerschein zurückgegeben wurde) und auch das Fahrverbot mit zwei Monaten moderat ausfiel.

Aufgrund der intensiven verkehrstherapeutischen Aufarbeitung und der Teilnahme am Abstinenzprogramm erscheint dieses Ergebnis aber auch folgerichtig. Die Amtsrichterin meinte, dass ihr jeder Autofahrer lieber sei, der tatsächlich etwas unternimmt und falschen oder übermäßigen Alkoholkonsum angeht, als Autofahrer, die einfach die Entziehung der Fahrerlaubnis hinnehmen und die Sperrfrist gemäß § 69 a StGB absitzen, um sodann einen neuen Führerschein zu beantragen und weiter betrunken Auto zu fahren. Dem kann ich mich nur anschließen.

Da die Staatsanwaltschaft vermutlich Berufung einlegen wird, ist das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen. In Anbetracht der auch weiter fortwährenden Teilnahme meines Mandanten am Abstinenzprogramm und der Fortführung der Verkehrstherapie dürfte aber auch im Berufungsverfahren die Entscheidung standhalten, dass nur ein Fahrverbot verhängt wird. Zu gegebener Zeit berichtete ich hier dann.

Ergänzung vom 24. März 2013: Die Staatsanwaltschaft hat die Berufung gegen das Urteil zurückgenommen, so dass dieses Urteil rechtskräftig geworden ist.

Zu diesem Thema siehe auch folgenden Beitrag:

OLG Karlsruhe gibt nach Trunkenheitsfahrt mit 1,9 Promille BAK aufgrund Verkehrstherapie den Führerschein zurück