Muss man einer Vorladung durch die Polizei Folge leisten?

Mir fällt in der Praxis immer wieder auf, dass häufiger eine ganz erhebliche Verunsicherung eintritt, wenn ein polizeiliches Schreiben mit einem Anhörungsbogen oder einer Vorladung zu einem Vernehmungstermin bei Beschuldigten und Zeugen eintrifft.

Es gibt eine ganze Reihe von amtlichen Schreiben, die Fristen oder Vorladungen zu Terminen beinhalten, und meistens ist es wichtig, darauf auch zu reagieren.

Update vom 22.12.2017: Schreiben der Polizei, die eine Vorladung zu einem Vernehmungstermin beinhalten, gehören dazu in der Regel nicht. Die Strafprozessordnung kennt nur dann eine Pflicht, einer Vorladung zur Polizei Folge zu leisten, wenn die Ladung ausdrücklich im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgt. Dies gilt sowohl für Zeugen und erst Recht für Beschuldigte einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Nur bei Ladung durch die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Fällen besteht eine Pflicht, einen solchen Termin wahrzunehmen.

Die Strafprozessordnung sieht ansonsten nur vor, dass einer Vorladung zur Staatsanwaltschaft und zum Gericht Folge geleistet werden muss. Dies gilt wiederum sowohl für Zeugen als auch für Beschuldigte.

Mit der euphemistisch „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ genannten StPO-Reform vom 17.08.2017, die am 24.08.2017 in Kraft getreten ist, und teilweise sehr problematische Änderungen beinhaltet, hat die Große Koalition die StPO an einigen Stellen geändert.

In § 163 Abs. 3 StPO ist nunmehr geregelt:

„Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. “

Die Polizeibeamte sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Sofern sich aus der polizeilichen Ladung ergibt, dass die Vernehmung im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgt, besteht nunmehr eine Pflicht von Zeugen zum Erscheinen bei der Polizei.  Bei Nichtbeachtung der nachweislich erhaltenen Ladung greifen gem. § 163 Abs. 4 Nr. 4 StPO die Folgen von § 51 StPO:

Die Staatsanwaltschaft kann dem Zeugen die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegen, zugleich ein Ordnungsgeld verhängen, auch kann die zwangsweise Vorführung des Zeugen angeordnen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann schließlich auch noch durch den Ermittlungsrichter Ordnungshaft für den Fall festgesetzt werden, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann.

Die gilt auch für Zeugen, die der Ladung Folge leisten und erscheinen, aber nicht aussagen. Anders ist es nur, wenn der Zeugin/dem Zeugen  ein Zeugnis- und/oder Auskunftsverweigerungsrecht nach den §§ 52 ff. StPO zusteht. Dann muss zwar der Ladung Folge geleistet werden, aber keine Aussage gemacht werden.

Als Beschuldigter besteht in jeder Phase des Verfahrens das Recht, die Aussage zu verweigern. Als Zeuge besteht die Pflicht, vor der Staatsanwaltschaft und vor Gericht auszusagen (außer es besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht oder Auskunftsverweigerungsrecht). Eine Pflicht, als Zeuge bei der Polizei zu erscheinen oder Aussagen gegenüber der Polizei zu machen, besteht nur in dem Fall, dass die Ladung zur Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgt.

Ob es andererseits nicht sinnvoll ist oder sein kann, auf einfache polizeiliche Schreiben zu reagieren, ist natürlich eine ganz andere Frage. Dies lässt sich nur anhand des Einzelfalls entscheiden. In jedem Fall besteht keine Pflicht auf Anhörungsschreiben oder Vorladungen der Polizei zu Vernehmungsterminen zu reagieren, wenn die Ladung nicht ausdrücklich im Auftrag der Staatsanwaltschaft erfolgt.