Urteil AG Königs Wusterhausen: Absehen von Entziehung der Fahrerlaubnis

Vor einigen Wochen hatte ich hier darüber berichtet, wie ich als Verteidiger in einem Strafverfahren wegen Trunkenheit am Steuer (1,51 Promille BAK) gemäß § 316 StGB eine Entziehung der Fahrerlaubnis meines Mandanten gemäß § 69 StGB in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen vermeiden konnte.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat nun die Berufung gegen das Urteil zurückgenommen. Das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 13.09.2012, Akzenzeichen: 2.2 Ds 231/12 gebe ich daher hier wieder:

„Der Angeklagte ist der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig.
Er wird zu einer Geldstrafe von 30 TS zu je 45,00 € verurteilt.
Es wird ein Fahrverbot von 2 Monaten verhängt.
Der Angeklagte hat die Verfahrenskosten und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
§§ 316 Abs. 2, 25 Abs. 1, 44 StGB

Gründe:
I.
Der Angeklagte hat den Beruf eines Maschinenbauers erlernt. Seit 2000
arbeitet der Angeklagte ununterbrochen als Servicemonteur bei der Firma … Für seine berufliche Tätigkeit ist er auf den Führerschein angewiesen.
Der Angeklagte erzielt monatlich zwischen … bis … € netto. Einem sich noch in der Ausbildung befindlichen Kind ist der Angeklagte unterhaltsverpflichtet Er zahlt je nach Einkommen zwischen … bis … € Unterhalt monatlich.
Straf- und verkehrsrechtlich ist der Angeklagte bisher nicht in Erscheinung getreten.

II.
Am 28.06.2012 begab sich der Angeklagte nach Arbeitsschluss mit dem VW …, amtliches Kennzeichen …, zur Wohnung seiner Bekannten in …, um dort Reparaturarbeiten durchzuführen. Während der dort durchgeführten Arbeiten nahm der Angeklagte nach eigener Erinnerung ca. 6 – 7 Flaschen Bier zu sich. Gegen 18:00 Uhr fiel dem Angeklagten ein, dass er zugesagt hatte, an einer Wohnungsbesichtigung eines zukünftigen Mieters in seinem Haus in … teilzunehmen. Spontan entschied er sich, ohne über die  Menge des zuvor genossenen Alkohols nachzudenken, mit dem VW … , amtliches Kennzeichen … vom … in Wildau zu seiner Wohnanschrift in … zu fahren.

Der Angeklagte fühlte sich fahrtüchtig und machte sich keine weiteren Gedanken zum zuvor genossenen Alkohol. Um 18:30 Uhr wurde der Angeklagte in der Fichtestraße in Wildau einer anlassunabhängigen Verkehrskontrolle unterzogen, bei der leichter Alkoholgeruch in der Atemluft festgestellt wurde.

Die dem Angeklagten um 19:50 Uhr entnommene Blutprobe hat eine Ethanolkonzentration von 1,51 %o ergeben.

Danach war der Angeklagte absolut fahruntüchtig. Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei gewissenhafter Prüfung erkennen können und müssen. Der Führerschein des Angeklagten wurde am 28.06.2012 beschlagnahmt und befand sich bis zum Ende der Hauptverhandlung in amtlicher Verwahrung. Unmittelbar nach der Tat begann der Angeklagte sich intensiv mit seinem Fehlverhalten und seinem bisherigen Umgang mit Alkohol auseinanderzusetzen.

Er nahm vom 03.07.2012 an einer Rehabilitationsmaßnahme des Instituts IVT-Hö Berlin/Brandenburg für mit Alkoholdelikten auffällig gewordenen Kraftfahrern teil. Ziel dieser Maßnahme ist es, eine Klärung des verkehrsauffälligen Verhaltens zu erreichen und überdauernde Veränderungen in den zugrunde liegenden Persönlichkeitsstrukturen herbeizuführen. Zur intensiven Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme nutzte der Angeklagte weitgehend seinen Jahresurlaub.

Dadurch gelang ihm die Absolvierung der sehr umfangreichen Rehabilitationsmaßnahme in kürzester und sehr intensiver Zeit. Er absolvierte im Rahmen seines KBS-Kurses (Kurs zur Sperrfrist-Minderungl-Aufhebung im Strafrecht) zunächst 6,5 Stunden Intensivberatung zur Diagnose/Prognose danach 27 Einzeltherapiestunden, 12 Therapiestunden in einer Klein- und Intensivgruppe (6-12 Pers.), 1 Therapiestunde in den Klein- und Intensivgruppen während der anschließenden Verlängerung, 14 Therapiestunden in einer Klein- und Intensivgruppe während zwei in sich abgeschlossenen je eintägigen Intensivseminare am 08. und 09.09.2012 sowie 12 Stunden in der IVT-Hö- Selbsthilfegruppe „FoABerlin/Brandenburg“ (01.08.2012-05.09.2012). Seit dem 05.07.2012 absolviert der Angeklagte das Alkohol-Abstinenzprogramm, welches er erneut um 3 Monate bis zum 07.01.2013 verlängert hat. Im Rahmen dieses Programmes hat er seine Abstinenz durch Urin-Screening belegen können.

Der Angeklagte ist seit dem Vorfall absolut abstinent. Er hat sich intensiv mit seinem Fehlverhalten auseinandergesetzt Er will die Alkoholabstinenz langfristig beibehalten. Die Verkehrstherapie wird er über den bereits abgeschlossenen Kurs weiter fortsetzen. Er hat sich aus eigenen Stücken, aber auch vertraglich gebunden erneut bereit erklärt, dass bereits laufende 5-monatige therapeutische IVT-Hö/ Nachsorgeprogramm nach dem schon erreichten erfolgreichen Abschluss des KBS-Kurses durchzuführen und abzuschließen.

Damit wird er zugleich auch noch einen KBS-Langzeitrehabilitationskurs (Kurs zur Wiederherstellung der Eignung auch 1m Sinne der strengsten Kriterien des Verwaltungsrechts/MPU-Eigungs-Kriterien, die aber überhaupt erst ab mindestens 1,6 %o oder bei Rückfalltätern angesetzt werden, absolvieren.

III.
Der Angeklagte hat sich am 28.06.2012 einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig gemacht, als er trotz des zuvor genossenen Alkohols mit seinem Kfz am öffentlichen Straßenverkehr teilnahm, obwohl er absolut fahruntüchtig war. Seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit war dem Angeklagten nicht bewusst. Er hätte sie jedoch bei sorgfältiger Prüfung der Umstände und Gefahren vor Antritt der Fahrt erkennen können und müssen. (§§ 316 Abs. 2, 25 Abs. 1 StGB)

Bei der Strafzumessung konnten zugunsten des Angeklagten seine geständigen Einlassungen und das von ihm an den Tag gelegten Nachtatsverhalten gewertet werden. Schuld- und tatangemessen wurde der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 30 TS zu je 45,00 € verurteilt.

Die Tagessatzhöhe entspricht den Einkommensverhältnissen des Angeklagten unter Beachtung seiner Unterhaltspflicht.

Von der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB hat das Gericht trotz der Verwirklichung des Regelfalles des § 69 Abs. 2 Ziffer 2 abgesehen.

Nach § 69 Abs. 2 Ziffer 2 StGB ist der Täter einer Trunkenheit im Verkehr in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Trotz der Verwirklichung des Regelbeispiels war der Angeklagte zur Überzeugung des Gerichts zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

Der Angeklagte hat die fahrlässige Tat zwar mit einer Ethanolkonzentration von 1,51 %o und damit in absoluter Fahruntüchtigkeit begangen, hat sich aber unmittelbar nach der Tat intensiv mit seinem Fehlverhalten auseinandergesetzt In zwar kurzer aber auch sehr intensiver Zeit hat er engagiert und höchstmotiviert an einer umfangreichen verkehrstherapeutischen anerkannten Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen und sich zur Weiterführung einschließlich Urinkontrollen vertraglich verpflichtet. Die fortführende Maßnahme hat er bereits bezahlt und glaubhaft versichert fortzusetzen. Er hat sich entschlossen, langfristig abstinent zu leben. Diese Feststellungen rechtfertigen zur Überzeugung des Gerichts bereits zum jetzigen Zeitpunkt die Annahme, dass vom Angeklagten neue Straftaten unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr nicht zu erwarten sind.

Gemäß 44 StGB wurde neben der verhängten Geldstrafe ein Fahrverbot von 2 Monaten ausgesprochen, auf welches die Sicherstellung des Führerscheins vom Tattag bis zur Hauptverhandlung anzurechnen war.“