Schweigen ist Gold, gerade im Strafverfahren
Jeder Beschuldigte in einem Strafverfahren hat das Recht, zu schweigen, § 136 StPO. Die Polizei muss einen Beschuldigten vor der ersten Vernehmung auch auf seine Rechte hinweisen. Das ist die Theorie. Bei schriftlich protokollierten Vernehmungen auf dem Polizeirevier erfolgt die Belehrung sicherlich auch zumeist.
Dass das allerdings beim Anhalten im Straßenverkehr oder bei Wohnungsdurchsuchungen auch regelmäßig so geschieht, daran kann man Zweifel haben. Wenn ich Mandanten dazu frage – wohlgemerkt bevor ich sie über die Bedeutung der ordnungsgemäßen Belehrung aufkläre -, ob sie von der Polizei belehrt wurden, kommt häufig die ratlose Reaktion: „Was für eine Belehrung denn?“
In einem diese Woche vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelten Fall war bei meinem Mandanten eine Wohnungsdurchsuchung erfolgt. Die Straftat, die Grundlage für den Durchsuchungsbeschluss war, hatte er nicht begangen. Das Ermittlungsverfahren ist im Sande verlaufen.
Allerdings fand die Polizei ein paar Tütchen mit Marihuana, ein sog. Zufallsfund. Da er insoweit vorbestraft ist, wurde das Verfahren nicht – wie sonst bei geringen Mengen üblich – eingestellt, sondern Anklage erhoben.
Im Strafverfahren war nun die Frage, ob und wann denn mein Mandant von den Polizisten über seine Rechte belehrt wurde, weil er zu dem Cannabisfund vor Ort etwas gesagt haben soll. Der Leiter der Durchsuchung sagte, er hätte meinen Mandanten nach dem Erstürmen der Wohnung durch das SEK belehrt, als mein Mandant gefesselt auf dem Boden saß.
Als dann beim Durchsuchen der Wohnung das Cannabis in einer Jacke gefunden wurde, habe mein Mandant geäußert, dass ihm das Cannabis gehören würde und er es wegen Schmerzen im Rücken nehmen würde. So auch die anderen Polizeibeamten.
Mein Mandant äußerte hingegen durchaus glaubhaft, dass er dazu nichts gesagt hätte. Nur später habe er beiläufig in einem Gespräch mit einem Polizisten gesagt, dass er hin und wieder Cannabis in einer Dose im Wohnzimmer habe und dies wegen seiner Rückenschmerzen nehme.
Ob es so war wie mein Mandant sagte oder wie die Polizisten sagten, kann dahin gestellt bleiben. Dieser Fall zeigt wieder einmal deutlich auf, dass man als Beschuldigter einem Polizisten gegenüber nichts, aber auch gar nichts sagen darf.
Über jede Äußerung erfolgt in jedem Fall eine Aktennotiz, im schlimmsten Fall findet sich die Äußerung an anderer Stelle in der Akte als sog. Spontanäußerung. Eingang in das Strafverfahren findet aber jede Äußerung.
Hätte mein Mandant nichts zu den Polizisten gesagt, wäre er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wegen Besitz von Betäubungsmitteln verurteilt worden. Man hätte ihm nicht nachweisen können, dass er von dem Cannabis wusste.
Ein bezeichnendes Beispiel zum Vorgehen der Ermittlungsbehörden findet sich in dem NSU-Verfahren vor dem OLG München. Das BKA hatte während dem Ermittlungsverfahren gezielt einen Ermittler zur Angeklagten Beate Zschäpe geschleust, um durch beiläufige Gespräche beim Gefangenentransport doch an Informationen zu kommen, obwohl sie bereits von ihrem Recht Gebraucht gemacht hatte, zu den Vorwürfen zu schweigen.
Man kann es gar nicht oft genug sagen: Schweigen ist Gold, gerade im Strafverfahren.