Mitgehangen, mitgefangen … – nicht unbedingt

Das Amtsgericht Tiergarten hatte meinen Mandanten wegen Computerbetrug zu einer Geldstrafe von insgesamt 2000 Euro verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm, bei der Manipulation eines Spielautomaten mitgewirkt zu haben, indem er u.a. „Schmiere gestanden“ habe. Auf meine Sprungrevision hat der 2. Senat des Kammergerichts das Urteil mit Beschluss vom 29. Oktober 2013, Geschäftsnummer: (2) 121 Ss 126/13 (48/13), aufgehoben und zu neuer Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.

Die lesenswerte Begründung lautet wie folgt:

„Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 22. März 2013 wegen (gemeinschaftlich begangenen) Computerbetruges zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten, mit der dieser allein die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.

1. Das Amtsgericht hat seiner Entscheidung im Wesentlichen die folgenden Feststellungen zugrunde gelegt: Der Angeklagte und der gesondert verfolgte Y. hätten sich am 24. April 2012 aufgrund eines zuvor gefassten gemeinsamen Tatplans in die Gaststätte „K.“ in Berlin-Wedding begeben. Dort habe Y. in Ausführung ihres Tatplans und in arbeitsteiligem Vorgehen mit einem mitgebrachten Gerät das von ihm benutzte Geldspielgerät SDM507 manipuliert, so dass er innerhalb von nur fünf Minuten einen Geldbetrag in Höhe von ca. 700 bis 800 Euro gewonnen habe.

Der Angeklagte B. habe währenddessen absprachegemäß aufgepasst und Y. während der Manipulation an dem Geldspielgerät so abgedeckt, dass der Zeuge G. als Geschäftsinhaber oder einer seiner Mitarbeiter von dem Tatgeschehen nichts mitbekäme. Der Angeklagte und Y. hätten gewusst, dass die Einwirkung auf den Spielablauf nicht berechtigt erfolge und dass sie unter diesen Umständen keinen Anspruch auf Auszahlung eines Gewinnbetrages hätten.

Entgegen dem Tatplan sei die Manipulation durch G. bemerkt worden, da dieser den Vorgang über eine im Raum installierte Überwachungskamera beobachtet habe. Es sei entgegen dem Tatplan nicht zur Auszahlung des vollen Geldbetrages von ca. 800 Euro, sondern lediglich zu einer Auszahlung von ca. 100 Euro gekommen, da nur ein solcher Betrag in dem Spielgerät vorhanden gewesen sei.

2. Das Urteil kann bereits deshalb keinen Bestand haben, weil es aufgrund von Mängeln in der Beweiswürdigung sachlich-rechtlicher Prüfung nicht standhält.

a) Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher gelegen hätte.

Das Revisionsgericht kann die tatrichterliche Beweiswürdigung nur im Hinblick auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (vgl. BGH wistra 2002, 260; NStZ 2002, 48; NStZ-RR 2000, 171; Senat, Urteile vom 15. März 2011 – (2) 1 Ss 548/10 (6/11)- und 23. Juli 2008- (2) 1 Ss 449/07 (40/07) -; Gericke in Karlsruher Kommentar, StPO 7. Aufl., § 337 Rdn. 29; Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl., § 337 Rdn. 26 ff.; Nack StV 2002, 510, 511).

Dabei brauchen die Schlüsse des Tatrichters nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind und er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGHSt 10, 208; Senat a.a.O.). Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit setzt objektive Grundlagen voraus, die aus rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt.

Da dies der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich ist, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. BGHR StPO § 261 Vermutung 11 m.w.N.; KG, Beschluss vom 4. August 2010-(4) 1 Ss 219/10 (165/10) -; Senat, Urteile vom 15. März 2011- (2) 1 Ss 548/10 (6/11)- und 23. Juli 2008- (2) 1 Ss 449/07 (40/07) -; Meyer-Goßner, § 261 StPO Rdn. 2a m.w.N.).

Hierzu gehört auch, dass der Tatrichter andere denkbare Möglichkeiten des Geschehensablaufes in seine Erwägungen einbezieht und erörtert (vgl. Senat a.a.O.).

b) Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

aa) Der nach seinen Angaben alkohol-und spielsüchtige Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten und sich wie folgt eingelassen: Er habe am Tattag in dem ihm bekannten Lokal „K.“, wo er bei früheren Besuchen wiederholt sein Geld an Automaten verspielt hatte, zufällig den gesondert verfolgten Y. getroffen, den er von seinen früheren Besuchen in diesem Lokal her gekannt habe. Dieser habe ihm gesagt, dass er gewonnen habe, ihm das Geld aber nicht ausgezahlt werde. Da er, der Angeklagte, im September 2011 an demselben Geldspielautomaten, an dem Y. gespielt habe, auch schon einmal 300 Euro gewonnen und das Geld ebenfalls nicht ausgezahlt bekommen habe, habe er gefragt, warum das Geld nicht ausgezahlt werde.

Das Amtsgericht hat diese Einlassung, nach der der Angeklagte von etwaigen Manipulationen des Y. an dem Geldspielautomaten nichts gewusst haben will, aufgrund der Bekundungen des Zeugen G. und der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Videoaufnahmen der in dem Lokal installierten Überwachungskamera für widerlegt und es aufgrund dieser Beweismittel für erwiesen erachtet, dass der Angeklagte mit dem gesondert verfolgten Y., der den Gewinn an dem Geldspielautomaten durch Manipulationen an dem Gerät erzielt habe, gemeinsame Sache gemacht habe.

Der Zeuge G., der das Tatgeschehen vom Büro des Lokals aus über die Überwachungskamera beobachtet habe, habe bekundet, dass Y. den Geldspielautomaten durch Manipulation in ca. drei bis fünf Minuten auf 700 Euro bis 800 Euro hochgespielt, der Angeklagte diese Manipulation durch seinen Körper verdeckt habe und dann, weil der Geldspielautomat nur einen Teil des durch die Manipulation erzielten Gewinns ausgeschüttet habe, an ihn, G., herangetreten sei und geäußert habe: „Wir müssen nicht solange warten, bis das Geld ausgezahlt wird.“

ln der Videoaufzeichnung sei deutlich zu erkennen, wie der gesondert Verfolgte Y. mit der rechten Hand an dem Gerät manipuliere, während ein Geldeinwurf nicht zu erkennen sei, und dass der Angeklagte zweimal an Y. herantrete und „offenbar“ auch eine Kommunikation zwischen beiden stattfinde, während Y. dann etwas einstecke und der Angeklagte den Raum verlasse.

bb) Soweit das Amtsgericht seine Überzeugung aus den für glaubhaft erachteten Bekundungen des Zeugen G. geschöpft hat, begegnet die Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Allerdings unterliegt die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Revision nicht den erhöhten Anforderungen, die bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen gelten (dazu vgl. Meyer-Goßner, § 261 StPO Rdn. 11 a); denn eine solche Fallgestaltung ist hier nicht gegeben. Dies wäre nur dann der Fall, wenn außer der Aussage des einzigen Belastungszeugen keine weiteren belastenden Indizien vorhanden sind und der Einlassung des Angeklagten entgegenstehen (vgl. – auch zur weiteren, hier nicht gegebenen Konstellation des schweigenden Angeklagten – Ott in KK-StPO, § 261 Rdn. 29b). Wird die belastende Aussage dagegen -wie hier- durch andere Beweismittel bestätigt, so liegt keine besondere Beweissituation vor (vgl. BGH NStZ 2004, 635; NStZ 2002, 556; Ott a.a.O.).

Gleichwohl weist die für die Zuverlässigkeit der Aussage des Zeugen G. angeführte Begründung, soweit sie sich auf die Bekundungen des ebenfalls in dem Lokal anwesenden Zeugen A. stützt, durchgreifende rechtliche Mängel auf. Insoweit wird in den Urteilsgründen – im Anschluss an weitere Erwägungen zum Wert der Aussage – pauschal ausgeführt, die Angaben des Zeugen G. würden auch durch die Bekundungen des Zeugen A. „im Wesentlichen bestätigt“.

Unklar bleibt danach, in welchen Punkten die Aussage des Zeugen G. mit der Aussage des Zeugen A. – deren Inhalt nicht mitgeteilt wird – übereinstimmt und wie es sich mit dem nicht bestätigten Teil verhält.

Sollte mit der zitierten Formulierung gemeint sein, dass der Zeuge A. in Teilen abweichende Bekundungen gemacht hat, wäre die Beweiswürdigung lückenhaft. Denn in diesem Fall hätte es der Mitteilung bedurft, inwieweit die Angaben beider Zeugen voneinander abweichen, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob sich die Annahme des Amtsgerichts, dass die Bekundungen des Zeugen G. auch unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen A. als zuverlässig einzustufen seien, auf eine hinreichende Tatsachengrundlage stützt.

Sollte indes gemeint sein, dass sich der Zeuge A. zu „wesentlichen“ Teilen des Geschehens geäußert hat und insoweit – im Gesamtumfang seiner Aussage – Übereinstimmung mit den Angaben des Zeugen G. bestand, so wäre die Beweiswürdigung widersprüchlich. Denn unmittelbar nach der festgestellten Übereinstimmung „im Wesentlichen“ wird in den Urteilsgründen ausgeführt, dass die Bekundungen des Zeugen A. „eher von allgemeiner Natur und oberflächlich“ gewesen seien, der Zeuge keine konkreten Angaben zum Tatgeschehen habe machen können und seiner Aussage deshalb nur geringer Beweiswert beigemessen worden sei.

cc) Soweit das Amtsgericht seine Überzeugung darüber hinaus auf die im Lokal erstellten Videoaufnahmen stützt, ist die Beweiswürdigung ebenfalls unklar und lückenhaft.

Es erscheint bereits fraglich, ob die knappen Feststellungen zum Inhalt der Videoaufzeichnung so vollständig sind, dass sie eine aus sich heraus verständliche Beschreibung und Würdigung des sich aus den Filmaufnahmen ergebenden Geschehens darstellen, die eine umfassende Beurteilung ihres Aussagegehaltes durch den Senat ermöglicht (dazu vgl. BGHSt 57, 53- juris Rdr:1. 17).

Jedenfalls aber findet die Angabe des Zeugen G., der Angeklagte habe die Manipulation des Y. an dem Geldautomaten durch seinen Körper verdeckt, in den Feststellungen zum Inhalt der Videoaufzeichnung keine Stütze, ohne dass dieser einen wesentlichen Teil des Tatgeschehens betreffende Widerspruch durch das Amtsgericht aufgeklärt wird.

3. Darüber hinaus tragen die Feststellungen nicht den Schuldspruch wegen Computerbetruges nach § 263a Abs. 1 StGB.

Der objektive Tatbestand des§ 263a StGB setzt voraus, dass der Täter durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf des Datenverarbeitungsvorgangs dessen Ergebnis beeinflusst und dadurch das Vermögen eines anderen schädigt. Hierdurch sollen alle Arten von Manipulationen erfasst werden, durch die auf das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs eingewirkt werden kann (vgl. OLG Düsseldorf StV 1999, 154 Rdn. 12 – juris).

Eine derartige Einwirkung belegen die Feststellungen nicht. Sie weisen lediglich aus, dass der gesondert verfolgte Y. das Geldspielgerät SDM507 unter Einsatz eines Gerätes – dessen Funktionsweise nicht mitgeteilt wird – manipuliert habe.

Danach bleibt offen, in welcher Weise Y. auf das ebenfalls nicht näher beschriebene Geldspielgerät eingewirkt hat und ob er insbesondere auf den – naheliegend durch ein Datenverarbeitungsprogramm gesteuerten – Spielablauf durch Datenmissbrauch oder Programmveränderungen Einfluss genommen hat. Ohne eine solche Art der Einwirkung scheidet der Tatbstand des§ 263a Abs. 1 StGB aus und wäre eine Strafbarkeit nach anderen Vorschriften zu prüfen. So kommt etwa bei Veranlassung der Ausgabe von Gewinnen durch Manipulation der Mechanik der Tatbestand des § 242 StGB in Betracht (vgl. OLG Koblenz NJW 1984, 2424; OLG Stuttgart NJW 1982, 1659; BayObLG NJW 1981, 2826; Fischer, StGB 60. Aufl., § 265a Rdn. 15 und § 242 Rdn. 25).

4. Da das Urteil auf den aufgezeigten Rechtsverletzungen beruhen kann (vgl. KG, Beschluss vom 17. Dezember 2002- (4) 1 Ss 376/02 (163/02) -), ist die Entscheidung gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückzuverweisen.“