Stellungnahme zu den Wasserverträgen im Abgeordnetenhaus – Teil 6

Hier können Sie Teil 1 und Teil 2 und Teil 3 und Teil 4 und Teil 5 meiner Stellungnahme vor dem Sonderausschuss Wasserverträge im Berliner Abgeordnetenhaus am 8. Juni 2012 lesen:

VI. Organstreitverfahren

„Sollte der Senat jedoch weiterhin untätig bleiben, so besteht für das Abgeordnetenhaus die Möglichkeit, in einem Organstreitverfahren vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof gegen den Verstoß gegen das Haushaltsrecht und Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin vorzugehen.

Gegenstand des Organstreitverfahrens wäre danach die Feststellung, dass der Senat gegen Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin verstößt, in dem er es unterlässt, die Nichtigkeit des Konsortialvertrages geltend zu machen.

Durch ein Organstreitverfahren kann der Senat nicht gezwungen werden, die Nichtigkeit des Konsortialvertrages geltend zu machen. Aber der Verfassungsgerichtshof kann feststellen, dass die Unterlassung des Senats einen Verstoß gegen das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses aus Art. 87 Abs. 1 der Verfassung darstellt.

Soweit der wissenschaftliche Parlamentsdienst in seinem Gutachten daher meint, dass aus dem parlamentarischen Budgetrecht keine verfassungsrechtliche Befugnis ableitbar wäre, die das Abgeordnetenhaus im Organstreitverfahren geltend machen könnte, ist dies schlichtweg falsch.

Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat bereits im Jahr 1997 (Beschluss vom 8.4.1997, Az. 78/96 – NvwZ-RR 1997, 506-507) entschieden, dass eine ohne Ermächtigung durch Haushaltsgesetz gemachte Anleihe einen Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin darstellt, welcher durch das Abgeordnetenhaus auch vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden kann.

[Auch hat der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2003 entschieden (Beschluss vom 21.03.2003, Az. 6/01 – VwZ-RR 2003, 537-541), dass eine Fraktion mit einem Organstreitverfahren gemäß § 37 Abs. 1 des Verfassungsgerichtshofgesetzes auch befugt ist, im Wege der Prozeßstandschaft die Verletzungen von verfassungsmäßigen Rechten des Abgeordnetenhauses – selbst gegen dessen Willen – geltend zu machen.]

Ein Organstreitverfahren ist danach selbstverständlich zulässig und nach den bisherigen Ausführungen auch begründet.

Im übrigen gehen die Ausführungen des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes am Gegenstand des Organstreitverfahrens völlig vorbei. Anders als im Gutachten des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes unterstellt wird, ist Gegenstand des Organstreitverfahrens nicht die Geltendmachung der Nichtigkeit des Konsortialvertrages. Dies ist im Verfassungsgerichtshofgesetz nicht vorgesehen. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Untätigkeit des Senats.

Der Antrag für ein Organstreitverfahren muss gemäß § 37 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes binnen sechs Monaten gestellt werden, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung bekannt geworden ist.

Der Arbeitskreis ist der Auffassung, dass die sechsmonatige Frist noch gar nicht begonnen hat, da bisher keine Aufforderung an den Senat erfolgt ist, eine Vertragsanfechtung durchzuführen.

Der wissenschaftliche Parlamentsdienst stellt darauf ab, dass das Ziel des Organstreitverfahrens nicht ein Verhalten des Senats, sondern die gerichtliche Nichtigkeitsfeststellung des Vertrages sei. Dies soll dann dafür sprechen, die Maßstäbe anzuwenden, wie bei einer Organklage gegen ein Gesetz. Die Frist hätte nach Auffassung des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes spätestens mit der Veröffentlichung im Internet am 10. November 2010 begonnen und wäre damit abgelaufen.

Wie ich bereits dargelegt habe, geht der wissenschaftliche Parlamentsdienst von völlig falschen Voraussetzungen aus. Gegenstand des Organstreitverfahrens wäre vorliegend das Verhalten des Senats, der es unterlässt, die Nichtigkeit des Konsortialvertrages vor staatlichen Gerichten geltend zu machen. Die Beseitigung des Konsortialvertrages kann nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein. Es kann daher auch nicht Anknüpfungspunkt für die Frist in § 37 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes sein. Dies ist tatsächlich nur die Unterlassung des Senats.

[Im übrigen dürfte für den Lauf der Frist auf § 3 des Wasserbetriebe-Geheimverträgeoffenlegungsgesetzes abzustellen sein, der u.a. bestimmt:

Bestehende Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden bedürfen einer eingehenden, öffentlichen Prüfung und öffentlichen Aussprache durch das Abgeordnetenhaus unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen. Für die Prüfung der Verträge ist dem Abgeordnetenhaus eine Frist von mindestens sechs Monaten einzuräumen.“

Die Prüfungspflicht gemäß § 3 S. 2 wurde dem Sonderausschuss Wasserverträge übertragen. Bevor dieser seine Arbeit nicht beendet hat, dürfte die Frist für das Organstreitverfahren noch nicht zu laufen begonnen haben, unabhängig davon, ob man auf ein Tun oder Unterlassen des Senats abstellt.]

Im übrigen spricht nach der Rechtsprechung des Berliner Verfassungsgerichtshofes auch viel dafür, dass sogar für jedes Haushaltsjahr der Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin gesondert geltend gemacht werden kann. Die Regelung in § 23.7 des Konsortialvertrages beinhaltet für jedes einzelne Haushaltsjahr eine Verletzung des Haushaltsrechts des Abgeordnetenhauses.

Darauf kommt es vorliegend jedoch nicht an, da mangels einer Aufforderung an den Senat [bzw. Abschluss der Prüfung durch den Sonderausschuss Wasserverträge] die 6-Monatsfrist des § 37 Abs. 3 des Verfassungsgerichtshofgesetzes noch gar nicht begonnen hat.“

Teil 7 meiner Stellungnahme vor dem Sonderausschuss Wasserverträge im Abgeordnetenhaus am 8. Juni 2012 können Sie hier lesen.