Stellungnahme zu den Wasserverträgen im Abgeordnetenhaus – Teil 1

Als Mitglied des Arbeitskreises unabhängiger Juristen war ich heute zu einer Anhörung des Sonderausschusses Wasserverträge im Abgeordnetenhaus von Berlin. Meine Stellungnahme gebe ich hier in mehreren Teilen wieder:

Sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Olav Sydow, ich bin Rechtsanwalt in Berlin. Einer meiner Tätigkeitsschwerpunkte ist das Gebiet des Verfassungsrechts. In diesem Rahmen bin ich daher seit Jahren in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin tätig. Darüber hinaus bin ich Mitglied des Arbeitskreises unabhängiger Juristen.

Der Arbeitskreis hat den Konsortialvertrag und insbesondere § 23.7 des Konsortialvertrages auf seine rechtliche Wirksamkeit überprüft. Wir sind dabei in unserem Leitfaden zu dem Ergebnis gekommen, dass § 23.7 des Konsortialvertrages wegen Verstoßes gegen Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin nichtig ist und diese Nichtigkeit gemäß den §§ 134, 138 BGB auch die Nichtigkeit des Konsortialvertrages zur Folge hat.

Soweit die Nichtigkeit des Vertrages durch den Senat geltend gemacht wird, kann dies vor staatlichen Gerichten erfolgen. Bleibt der Senat untätig, kann durch jede Fraktion des Abgeordnetenhauses ein Organstreitverfahren eingeleitet werden. Dazu nachfolgend im einzelnen:

I. Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 VvB

§ 23.7 des Konsortialvertrages verstößt nach unserer Auffassung gegen Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin. In Art. 87 Abs. 1 ist unter anderem geregelt, dass keine Sicherheiten ohne gesetzliche Grundlage geleistet werden dürfen. Diese haushaltsrechtliche Verfassungsvorschrift bezweckt den Schutz des parlamentarischen Budgetrechts. Die Regierung darf danach die Rechte des Parlaments auf dem Gebiet des Haushaltsrechts weder aushöhlen noch umgehen.

Sicherheiten dürfen danach nur auf gesetzlicher Grundlage geleistet werden. Nach der Rechtsprechung des Berliner Verfassungsgerichtshofes handelt es sich bei Sicherheiten um einen Oberbegriff für Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen.

§ 23.7 des Konsortialvertrages sieht vor, dass die privaten Anteilseigner unabhängig vom tatsächlichen Umsatz und Gewinn der Berliner Wasserbetriebe so gestellt werden wie es in der Zinsformel des vom Berliner Verfassungsgerichtshof teilweise für nichtig erklärten Art. II § 3 Abs. 4 des Teilprivatisierungsgesetzes vorgesehen war. Es handelt sich insofern um eine Gewinngarantie zu Gunsten der privaten Anteilseigner. Infolge dieser Vereinbarung läuft das Land Berlin Gefahr, einen geringeren Betrag zu erhalten, als ihm nach der Höhe der Anteile von 50,1 % zustehen würde.

Dieses Risiko hat sich vorliegend auch verwirklicht. In den zehn Jahren von 1999-2009 hat das Land Berlin aufgrund dieser Regelung insgesamt fast 500 Millionen Euro niedrigere Gewinnabführungen als die privaten Anteilseigner erhalten. Dies lässt sich aus der Tabelle auf Seite 36 unseres Leitfadens sehr gut ersehen.

Daneben muss nach der Rechtsprechung des Berliner Verfassungsgerichtshofes die Risikoübernahme auch Hauptzweck des Vertrages sein.

Wir sind der Auffassung, dass die Gewinngarantie in § 23.7 des Konsortialvertrages ein Hauptzweck des Vertrages ist. Dabei haben wir darauf abgestellt, dass in dieser Regelung eine eigene Pflicht begründet wird und eine diese eine eigenständige Bedeutung im Sinne einer Hauptleistungspflicht hat.

Der wissenschaftliche Parlamentsdienst vertritt in seinem Gutachten die Auffassung, dass die Gewinngarantie kein Hauptzweck des Konsortialvertrages ist, da § 23.7 nur ein Teilbereich des gesamten Vertragswerks sei, dass die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe regelt.

Diese Auffassung teilen wir nicht. In Anbetracht der jüngsten Entscheidung des Kartellamts zur Senkung der missbräuchlich erhöhten Trinkwasserpreise in Berlin wirkt es fast schon komisch, wenn in § 1 des Konsortialvertrages vom Ausbau und Sicherung einer kostengünstigen Trinkwasserversorgung in Berlin gesprochen wird. Bekanntlich ist ja das genaue Gegenteil eingetreten. Dies aber nur als Anmerkung am Rande.

Ob die Klausel in § 23.7 des Konsortialvertrages einen Hauptzweck darstellt, ist nicht anhand des Umfanges des Vertrages zu bestimmen, sondern anhand der Bedeutung der Regelung für die Parteien. Es wird darin die Höhe der zugesicherten Gewinnausschüttungen für die privaten Anteilseigner geregelt und ist somit die Grundlage für ihre Investitionsentscheidung.

Nur aus diesem Grund waren die privaten Anteilseigner bereit, einen Betrag von 3,05 Milliarden DM für die Anteile zu zahlen. Das „Return on Investment“ stellt das unternehmerische Hauptinteresse dar. Dies zeigt sich auch daran, dass in der 5. Änderungsvereinbarung vom 24. Oktober 2003 die Gewinngarantie sogar noch weiter spezifiziert wurde oder wie Prof. Dr. Mayer vorhin sagte „effektiv gemacht“ wurde.

Es besteht daher nach unserer Auffassung überhaupt kein Zweifel, dass das die Gewinngarantie in § 23.7 des Konsortialvertrages ein Hauptzweck des Vertrages darstellt und damit eine Sicherheit im Sinne von Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin vorliegt.

Für diese Sicherheitsleistung wäre eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich gewesen. Da eine solche gesetzliche Grundlage nicht vorhanden ist, wurde das parlamentarische Budgetrecht aus Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin verletzt, so dass die Regelung verfassungswidrig ist.“

Teil 2 meiner Stellungnahme vor dem Sonderausschuss Wasserverträge im Abgeordnetenhaus am 8. Juni 2012 können Sie hier lesen.