Stellungnahme zu den Wasserverträgen im Abgeordnetenhaus – Teil 5

Hier können Sie Teil 1 und Teil 2 und Teil 3 und Teil 4 meiner Stellungnahme vor dem Sonderausschuss Wasserverträge im Berliner Abgeordnetenhaus am 8. Juni 2012 lesen:

V. Gerichtliche Zuständigkeit

„Sofern der Senat tatsächlich beabsichtigen sollte, die Nichtigkeit des Vertrages vor staatlichen Gerichten geltend zu machen, stellt sich dann die Frage, vor welchem Gericht dies erfolgen müsste.

Wir sind zu der Auffassung gekommen, dass aufgrund des Bezugs zu hoheitlichen Aufgaben der Daseinsvorsorge der Verwaltungsrechtsweg nahe liegt, haben im übrigen aber auch die vom wissenschaftlichen Parlamentsdienst angenommene Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte geprüft. Dabei stellt sich die Frage, ob durch die Schiedsvereinbarung in § 44 Abs. 2 des Konsortialvertrages in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Anlage 44.2 zum Vertrag der Rechtsweg vor die ordentlichen Gerichte ausgeschlossen ist.

Wir sind der Auffassung, dass die Schiedsvereinbarung wegen einer gesetzlichen Vorschrift im Sinne von § 1030 Abs. 3 ZPO nichtig ist.

Wie im Leitfaden dargelegt ist, ergibt sich dies aus dem Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz, dem Gewaltenteilungsprinzip in Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz und dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz bzw. den entsprechenden Vorschriften in Art. 2 und Art. 3 der Verfassung von Berlin.

Durch die Übertragung der Zuständigkeit auf ein Schiedsgericht ist die Möglichkeit einer parlamentarischen Kontrolle des Verwaltungshandelns ausgeschlossen und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht mehr in ausreichendem Maße sichergestellt. Da etwaige Schiedsverfahren vertraulich sind, haben die Parlamentarier keine Möglichkeit, die Prozessführung durch den Senat zu beobachten und nach Abschluss des Verfahrens zu überprüfen.

Nach der Schiedsvereinbarung sind die Öffentlichkeit und das Parlament noch nicht einmal darüber zu informieren, ob überhaupt ein Schiedsverfahren durchgeführt wird, so dass das Handelns des Senats der parlamentarischen Kontrolle völlig entzogen wird. Die gegenseitige Kontrolle der Staatsorgane ist jedoch ein wesentliches Verfassungserfordernis, das sich aus dem Gewaltenteilungsprinzip in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz ergibt. Schließlich verlangen auch das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip einen gewissen Grad an Transparenz und Öffentlichkeit bei gerichtlicher Kontrolle.

Der wissenschaftliche Parlamentsdienst vertritt in seinem Gutachten hingegen die Auffassung, dass die Schiedsvereinbarung nicht gegen gesetzliche Vorschriften im Sinne von §1030 Abs. 3 ZPO verstößt und daher nicht unwirksam ist. Allgemeine Verfassungsgrundsätze wie das Demokratieprinzip oder das Rechtsstaatsprinzip sind nach Auffassung des wissenschaftlichen Parlamentsdienstes keine Normen, die eine Schiedsvereinbarung untersagen oder aus deren Sinngehalt sich die Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit der Vereinbarung ergibt.

Bei dieser Thematik ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es eine neue und offene Rechtsfrage ist, ob eine Schiedsklausel aufgrund von Verfassungsbestimmungen nichtig sein kann. Es spricht jedoch viel dafür, dass auch Verfassungsnormen der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung entgegenstehen können.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die Grundrechte über die Generalklauseln auch in das einfache Recht hineinstrahlen. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht auch entschieden, dass die objektiven Wertentscheidungen der Verfassung als Bestandteil der Grundrechte der Beurteilungsmaßstab für privatrechtliche Rechtsbeziehungen und die Entscheidungen von Zivilgerichten sind.

Eine Ausstrahlungswirkung der grundlegenden Verfassungsprinzipien aus den Artikeln 20 Abs. 1 bis Abs. 3 Grundgesetz kommt danach durchaus in Betracht, die Wertentscheidungen der Verfassung dürften auch jenseits der Grundrechte bei privatrechtlichem staatlichem Handeln in das Privatrecht ausstrahlen.

Darüber hinaus dürfte in jedem Fall auch aus Art. 115 Abs. 1 Grundgesetz bzw. Art. 87 Abs. 1 der Verfassung von Berlin folgen, dass die vorliegende Schiedsvereinbarung unwirksam ist. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, zu verhindern, dass die Exekutive des Haushaltsrecht des Parlamentes nicht aushöhlt oder umgeht. Dieses Umgehungsverbot würde jedoch leerlaufen, wenn eine gerichtliche Überprüfung durch staatliche Gerichte durch eine Schiedsvereinbarung ausgehebelt werden könnte.

In dem hypothetischen Fall, dass sich der Senat doch noch entschließen sollte, die Nichtigkeit des Konsortialvertrages geltend zu machen, kann dies deshalb vor staatlichen Gerichten geltend gemacht werden.“

Teil 6 meiner Stellungnahme vor dem Sonderausschuss Wasserverträge im Abgeordnetenhaus am 8. Juni 2012 können Sie hier lesen.